Frauenspezifische Angebote in der medizinischen Rehabilitation suchtkranker Menschen
Frauenspezifische Angebote in der Entwöhnungsbehandlung suchtkranker Menschen haben sich in den 80iger Jahren etabliert vor dem Hintergrund, dass sich Frauen deutlich in der Minderheit gegenüber einer wesentlich höheren männlichen Patientenpopulation befanden. In den so männerdominierten Patientengruppen gab es für Frauen mit beispielsweise Gewalt- und Missbrauchserfahrungen und/oder Partnerschaftskonflik-ten keinen angemessenen Rahmen, um derart brisante und relevante Themenbereiche zu bearbeiten.
So wurde eine indikative Frauengruppe gegründet. Es handelt sich um eine halboffene Gruppe mit maximal 12 Frauen, die über 6 Wochen wöchentlich 90 Minuten stattfindet. Teilnehmerinnen sind in unserer Klinik neben den Suchtpatientinnen auch Patientinnen aus der Abteilung für Psychosomatik.
Dieser gleichgeschlechtliche Rahmen erweist sich immer wieder als besonders geschützter therapeutischer Raum, in dem sehr belastende Themen bearbeitet werden können. Neben den bereits erwähnten oben genannten Problembereichen kristallisierten sich weitere Themenschwerpunkte heraus: Mutter- Tochter- Konflikte, Umgang mit Alltagsbelastungen und Überlastung in der Mehrfachrolle als Partnerin, Berufstätige, oft Mutter und oft noch die Eltern Pflegende, Umgang mit eigenem, zum Teil überhöhtem Anspruch, Sexualität, Umgang mit Trauer und Verlusten, Selbstwertdefizite, u.a.. Für besonders unsichere Patientinnen bietet sich hier außerdem ein Gesprächsfeld, in dem oft erstmals über sich reflektiert werden kann.
In der Gruppe unter der Leitung zweier erfahrener Therapeutinnen wird bewältigungsorientiert gearbeitet. Eine Traumatherapie im engeren Sinne erfolgt nicht. Dazu ist das Setting nicht geeignet. Das Benennen traumatischer Ereignisse bewirkt schon, dass sich die betroffenen Frauen erkennen und sich nicht als allein und isoliert erleben. Möglich ist das Erfassen von offenen Wünschen oder Defiziten oft als Resultat traumatisierender Lebensereignisse und deren vorwärtsgerichtete ressourcenaktivierende Bearbeitung. Es geht dabei auch um die Verarbeitung von Schuld- und Schamgefühlen, um das häufig vorhandene Selbstwertdefizit und den Aufbau von Selbstakzeptanz, die Etablierung des Anspruchs auf körperliche und psychische Integrität. Soziale und emotionale Kompetenzen werden entwickelt. Zu letzteren gehört u.a. die Identifikation eigener Gefühle, die Förderung deren Ausdrucks. Die häufig vernachlässigte Selbstfürsorge wird analysiert. Sinnvolle Verhaltens- und Einstellungsänderungen können entwickelt werden.
Es bedarf einer strukturierenden, supportiven und psychoedukativen Behandlungsweise, um die unterschiedlich komorbid erkrankten Patientinnen effektiv zu einem guten therapeutischen Arbeiten zu begleiten. Die Frauen profitieren sehr voneinander durch oft ähnliche Erfahrens- und Erlebenshorizonte. Es entwickelt sich meist schnell eine gute Gruppenkohäsion, die es dann auch ermöglicht, eigene Anteile an dysfunktionalen Beziehungen oder Problemen zu erarbeiten. In der Regel gibt es eine Fokuspatientin pro Therapieeinheit, die ihre Problematik darstellt, die dann bearbeitet wird.
Die angeregten Veränderungsprozesse bedürfen natürlich weiterer therapeutischer Vertiefung und Festigung, was meist bei den zuständigen Bezugstherapeuten oder in der therapeutischen Wohngruppe geschieht sowie später bei ambulanten Therapeuten/innen.
Vereinzelt schon erprobt, ergänzen wir die Frauengruppe gelegentlich durch körpertherapeutische Elemente zur Verbesserung der Selbstbehauptung und Selbstsicherheit. Ein weiterführendes diesbezügliches Konzept ist in der Diskussion.
Als vorzugsweise frauenspezifisches Angebot ist ferner die indikative Gruppe Bewegung nach Musik zu nennen. Hier erleben die Patientinnen einen sehr freudebetonten Zugang zur Bewegung und zum Körpergefühl. Auch das Wahrnehmen eigener Wünsche bezüglich aktiver Freizeitgestaltung wird gefördert.
Alle übrigen Standard- und indikativen Therapieangebote sind nicht im engeren Sinne frauenspezifisch. Gemäß unserem Anspruch an eine hohe Behandlungsqualität streben wir in den übrigen Therapien eine größtmögliche individuelle Anpassung an die persönlichen Therapieziele beziehungsweise Problembereiche an.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass frauenspezifische Behandlungsangebote sehr sinnvoll und gewinnbringend sind als ein Baustein im Rahmen von Entwöhnungsbehandlungen

Dr. med. Ulrike Prösch
Oberärztin/stellv. Chefärztin
MEDIAN Klinik Schweriner See
Am See 4
19069 Lübstorf
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