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Von Gabriele Rehbein–Strietzel

Frauenspezifischen Suchtberatung und Suchtbehandlung

Vorbemerkung

Das Interesse des Caritasverbandes Trier e.V., sich auf die Ausschreibung durch das Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Familie und Frauen zur Errichtung einer Fachstelle für frauenspezifische Suchtberatung und Suchtbehandlung zu bewerben, erfolgte mit dem Hintergrund, dass auch in unserem damaligen Beratungsstellensetting festgestellt wurde, dass der Frauenanteil nicht sehr hoch war. Dadurch wurde uns eine Chance geboten, etwas Neues in Rheinland – Pfalz mitzugestalten und zu entwickeln.

Gemeinsam mit 4 anderen Fachfrauen machte ich mich 1997 auf den Weg. Wir wurden von der Universität-Trier in den ersten zwei Jahren wissenschaftlich begleitet und unsere Arbeit wurde evaluiert. Mein Interesse an dieser Arbeit rührte auch aus meiner beruflichen Vorgeschichte. In dieser wurde ich immer wieder auf die Unterschiede zwischen Männern und Frauen innerhalb des Suchthilfesystems aufmerksam gemacht. Das Suchthilfesystem lernte ich im gemischtgeschlechtlichen stationären Rahmen kennen - hier war der Anteil der Männer stets höher.

Der Zugang zum Suchthilfesystem

Frauen fanden aus unterschiedlichen Gründen einen schlechteren Zugang zum System. Die Erfahrungen, dass frauenspezifische Probleme auch im Suchtsystem der Familie und der Partnerschaft eine erhebliche Rolle spielen, hatten sich innerhalb meiner Arbeit im ambulanten Setting widergespiegelt. Auffällig war, dass Frauen auch aufgrund ihrer internalisierten Rollenhaltung und ihrer Lebensumstände, ihre Sucht heimlicher leben und versuchen, in ihrem Konsum sozial unauffälliger zu bleiben. Sie werden durch das vorhandene System bestärkt, z.B. „ihre“ Medikamente zu schlucken, um ihre Funktionalität aufrecht zu erhalten. Die Funktionsfähigkeit der Frau soll auf diese Weise erhalten bleiben, um nach außen hin angepasst zu sein. Psychische Belastungen jedoch sollen Frauen im Inneren ihres Körpers und somit seelisch austragen. Sie erhalten dadurch nicht die Möglichkeit zu erkennen, dass ihre Befindlichkeit in Verbindung mit ihren Lebensumständen steht und können dadurch ihre Situation nicht in eigener Kontrolle und Gestaltung verändern.

Zudem macht das noch immer bestehende Rollenbild der Frau es sehr schwer, offen mit der Erkrankung umzugehen. Dies hat zur Folge, dass Frauen oftmals in der Verborgenheit und Heimlichkeit konsumieren. Frauen berichten auch immer wieder, dass sie einen langen und auch häufig sehr qualvollen Weg der Suchtentwicklung erleiden und sich erst spät trauen sich jemanden anzuvertrauen. Sie fallen im beruflichen Kontext weniger auf, da es ihnen gelingt, ihre Sucht sehr lange zu verstecken und zu verheimlichen

Ursachen des Suchtmittelmissbrauchs

Zu den Ursachen des Suchtmittelmissbrauchs gibt es folgende häufig auftretende Ursachen:

  • Unzureichender Aufbau eines Selbstwertgefühls
  • Fehlende Abgrenzungsmöglichkeiten
  • Keine Entwicklung einer stabilen Ich –Identität in der Kindheit und Jugend
  • Zudecken der Gefühle von Unselbständigkeit, Unsicherheit, Wertlosigkeit, Angst und innerer Leere
  • Aushalten des Anpassungsdrucks an vorgeschriebene Leistungsbedingungen, Rollenstrukturen und Erwartungen
  • Aushalten der Mehrfachbelastung durch Beruf, Ehe, Hausfrau, Mutter und später als Oma
  • Überlebensstrategien als Antwort auf Zerstörung durch Gewalt und Missbrauchserfahrungen in Familie und/oder Partnerschaft

Die wichtigsten Merkmale des frauenspezifischen Angebotes setzen sich aus dem Wissen um die o.g. Ursachen und dem Wissen um die spezifischen Sozialisationsbedingungen, Lebens – und Berufsrealitäten von Frauen und Männern zusammen und orientieren sich am derzeitigen Erkenntnisstand der Frauenforschung und Gender Mainstream in der Suchthilfe.

Frauenspezifische Arbeit in Beratung und Behandlung

Als Behandlerin ist eine professionelle Haltung im Kontakt auch durch Parteilichkeit geprägt. Im Beratungs- und Therapiekontakt ist vordergründig, die eigenen Bedürfnisse und Interessen zu entwickeln und persönliche Ziele zu formulieren. Hier geht es nicht darum, die Erwartungen Dritter zu erfüllen.

Eine besondere Bedeutung kommt auch der konstruktiven und wertschätzenden Haltung innerhalb der Begleitung zu. Betroffene können dadurch an ihrer eigenen Wertschätzung arbeiten. Die Entwicklung von Selbstachtung und Autonomie haben eine zentrale Bedeutung und sind ebenso notwendig wie die Übernahme von Eigenverantwortung, das Erleben und die Wichtigkeit eigene Gefühle wahrzunehmen und auch ausdrücklich zu leben, die Erkenntnis wie wichtig und notwendig dieses ist, um überhaupt ein suchtmittelfreies Leben führen zu können. Das Erkennen von dependenten Persönlichkeitsmerkmalen und die Arbeit an diesen ist ebenfalls eine Voraussetzung zum Leben ohne Abhängigkeiten.

Auch die Reflektion und das Verstehen der eigenen Suchtentwicklung und deren Ursachen sind für die Arbeit unabdingbar. Innerhalb dieses Prozesses werden die Funktionalität des Suchtmittels und die Bedeutung klarer. Es gilt, die gesellschaftlichen und familiären Hintergründe zu entdecken und zu verstehen das Selbstwertgefühl zu verbessern und Schuld- und Schamgefühle abzubauen. Dies kann durch die Reflektion des eigenen Frauenbildes und durch das Überprüfen von Rollenerwartungen gelingen. Die Frauen müssen ihre eigenen Stärken und Fähigkeiten wieder wahrnehmen und eine gesunde Selbstakzeptanz aufbauen. Das Wissen über vorhandene weibliche Lebenszyklen und die damit verbundenen körperlichen Prozesse zu vermitteln und zu verstehen, führen zusätzlich zu einem besseren Verstehen des eigenen Wohlbefindens.

Ein weiterer Bestandteil meiner Arbeit ist der Aufbau eines suchtmittelfreien Lebensumfeldes und die konkrete Zusammenarbeit mit verschiedenen Selbsthilfegruppen, in der sich auch Frauengruppen etabliert haben. Frauen können sich hier in einem geschützten Rahmen treffen und austauschen, ein wichtiger Bestandteil für ein suchtmittelfreie Leben.

Zusammenfassend…

…möchte ich die Grundlagen zur Beratung und Behandlung meiner Arbeit noch einmal ausführen:

Die „Frauenarbeit“ kann nicht losgelöst vom gesellschaftlichen Kontext gesehen werden. Die Beraterin muss parteilich arbeiten und die Betroffene in ihrer Eigenständigkeit und Entscheidungsfähigkeit stärken und fördern. Die Erfahrung von Akzeptanz und Wertschätzung durch eine andere Frau (Beraterin) sollte der Klientin einen besseren Zugang in die Einsicht der eigenen Wertschätzung ermöglichen. Die Entwicklung des Selbstwertgefühls gibt den Klientinnen einen subjektiven Sinn, sich von dem selbstzerstörerischen Suchtmittel zu verabschieden.

Ein grundsätzliches Ziel meiner Arbeit ist die Wiederherstellung der psychischen und physischen Stabilität der Frau, sowie eine wirtschaftliche Unabhängigkeit. Als wichtige Bausteine erlebe ich hierbei u.a. die Auflösung der inneren Rollenwidersprüche sowie die Auflösung inneren Spannungen und Konflikte.


Gabriele Rehbein–Strietzel
Leiterin
Fachstelle frauenspezifische
Suchtberatung und Sucht-behandlung

Kutzbachstraße 15
54290 Trier
Tel.: +49 651 145395-0
rehbein-strietzel.gaby@remove-this.caritas-region-trier.de