Soziale Arbeit als Frauenberuf – gering geschätzt, gering bewertet !?
Vorbemerkung
Tradierte stereotype Vorstellungen über „Weiblichkeit“ und „Männlichkeit“ finden sich auch bei der Zuweisung von Berufen und Tätigkeiten. Anders ausgedrückt ist „Geschlecht“ eine Strukturkategorie in der Gesellschaft und damit auch auf dem Arbeitsmarkt und im Berufssystem (Bereswill 2016, S. 16 ff.)
Noch immer teilt sich der Arbeitsmarkt horizontal in Frauen- und Männerberufe (Busch-Heizmann 2015). Grenzziehungen erfolgen durch geschlechterspezifische Konstruktionen von Berufsbildern, die bestimmten Berufen ein bestimmtes Geschlecht zuschreiben. Historisch betrachtet, sind „Geschlechtswechsel“ eines Berufes nachzuweisen. Dabei geht die Feminisierung eines Berufs mit Status- und Ansehensverlusten einher; auch die Verdienste in so entstandenen Frauenberufen, etwa der der „Sekretärin“, entwickelten sich nachteilig. Mithin gehen mit einer geschlechterspezifischen Zuweisung von Berufen bzw. Tätigkeiten hierarchische Prozesse einher, die typische Frauenberufe an das untere Ende der Skala verweisen (Wetterer 1995, Teubner 2008). Im Vergleich zu männerdominierten Berufen sind sozialer Status und Verdienste geringer (Sachverständigenkommission 2011, 119f).
Auch innerhalb von Berufen lassen sich -- trotz gleicher Qualifikation -- unterschiedliche frauen- bzw. männerdominierte Arbeitsbereiche identifizieren, die häufig eine Hierarchie zugunsten der Männer in Bezug auf Bezahlung und sozialen Status aufweisen (vertikale Hierarchie). Männer verdienen auch in Frauenberufen deutlich mehr als Frauen. Im Berufsverlauf entwickeln sich die Einkommen von Männern trotz gleicher Qualifikation und weiteren vergleichbaren Parametern wie Studienerfolg und Beschäftigungsumfang deutlich besser als die der Frauen. Auch in vergleichbaren Führungspositionen erhalten Frauen ein geringeres Gehalt (Sachverständigenkommission 2011, 119f; Wüst/Burkart 2010).
Soziale Arbeit als Frauenberuf
Soziale Arbeit ist in historischer Dimension, in personeller Zusammensetzung und gesellschaftlicher Konnotierung ein typischer „Frauenberuf“ (Rerrich 2010; Bereswill 2016, S. 29 ff.). Die historischen Entwicklungslinien der Sozialen Arbeit zeigen die Verbundenheit mit der bürgerlichen Frauenbewegung und ihrem Konzept der „geistigen Mütterlichkeit“. Diese historischen Wurzeln sind trotz ihrer Entwicklungen zu einer Verberuflichung der Sozialen Arbeit eine große Hypothek für Bestrebungen zu Verwissenschaftlichung und Professionalisierung. Denn die verfestigte weibliche Codierung akzentuiert bis heute eine Abwertung als „Semi-Profession“, der unterstellt wird, dass ihre Ausübung weniger wissenschaftlich fundiertes Fachwissen und –Können, denn vermeintlich „natürlich weibliche“ Eigenschaften erfordert (Heite 2010). Wie bei anderen Frauenberufen des personellen Dienstleistungssektors ist damit ein Abwertung im sozialen Status und im Entgelt verbunden (Feldhoff 2006).
Für eine „weibliche“ Prägung der Sozialen Arbeit sprechen noch immer die Zahlen – auch wenn exakte Zahlen zum Beruf „Sozialarbeiterin“ nicht vorliegen. Quasi seit Jahrzehnten liegt der Frauenanteil in den Sozial- und Erziehungsberufen konstant weit über 70 % - ein Merkmal für einen „Frauenberuf“. In 2016 lag der Anteil der Frauen im Gesundheits- und Sozialwesen bei 77 % der dort sozialversicherungspflichtig Beschäftigten (Bundesagentur für Arbeit 2017, S. 11). Nach einer anderen Einteilung des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung liegt der Frauenanteil im Jahr 2015 in der Berufsgruppe 831 (Erziehung, Sozialarbeit, Heilerziehung) sogar bei 83 % (IAB: Berufe im Spiegel der Statistik). Einer bundesweite Befragung von 224 Jugendämtern zufolge lag der Frauenanteil durchschnittlich bei 73%; im Vergleich dazu waren Männer in Leitungspositionen mit 55 % deutlich überrepräsentiert (Merchel u. a. 2012, S. 156).
Vergütungssituation in der sozialen Arbeit
Alle Daten zeigen dieselben Tendenzen: Ein sehr hoher Frauenanteil an Beschäftigten spiegelt sich nicht in einer proportionalen Beteiligung an Führungspositionen wider. Zugleich zeigt sich eine ungleiche Bezahlung trotz formal gleicher Qualifikation im selben Arbeitsfeld und sogar trotz flächendeckender tariflicher Bindung im öffentlichen Dienst.
Auch die Umstellung vom BAT auf den TVöD mit der neuen Entgeltordnung für den Sozial- und Erziehungsdienst zum 01.11.2009 hat nicht zu einer nachhaltigen Aufwertung geführt. Die erheblichen Verdienstunterschiede zu eher männlich konnotierten Technik- und Wirtschaftsberufen vergleichbarer Qualifikationsebenen, z. B. FH-Abschluss bestehen noch immer. Die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes (TVöD) wie auch der großen Wohlfahrtsverbände erfassen und bewerten spezifische Fachkenntnisse, Kompetenzen und Belastungen der sozialen Arbeit unzureichend. Verantwortung für Kinder und ihre Eltern, Treffen selbständiger Entscheidungen, Verfügen über Zusammenhangs- und Verweisungswissen, der Umgang mit Behörden und Gerichten, insbesondere aber auch soziale und beraterische Kompetenzen werden nicht bewertet, aber den Fachkräften abverlangt (Feldhoff 2006; Kühnlein 2007).
Diejenigen Fachkräfte in Arbeitsfeldern der Beratung und Betreuung, die direkt mit Klienten arbeiten, kommen über die Entgeltgruppen S 11 bzw. S 12 TVöD in der Regel nicht hinaus. Die neue Entgeltgruppe S 14 für Beschäftigte im ASD, die im höchst verantwortungsvollen Arbeitsfeld „Kindeswohlgefährdung“ arbeiten, hat zu wenig Verbesserungen gebracht. Die Verdienstunterschiede innerhalb sozialer Arbeit zwischen Frauen und Männern bleiben konstant, weil nur Führungspositionen – überwiegend in Männerhand – höhere Bezahlung ermöglichen. Die verbalen Aufwertungen durch Politik, Kirchen und große Wohlfahrtverbände bleiben symbolisch, wenn keine monetäre Aufwertung damit einher geht (Evans/Kerber-Clasen 2017).
„Weibliche Fürsorge“ oder „Männliches Sozialmanage-ment“?
In diesem Kontext kommen Prozesse der Umorganisation Sozialer Arbeit scheinbar einer Aufwertung entgegen. Fürsorgliches Handeln, d.h. Soziale Arbeit „mit Menschen“, wird primär betriebswirtschaftlichen, zweckrational ausgerichteten Strategien gegenübergestellt. Politisch gewollte Rahmenbedingungen erzeugen Legitimationsdruck in Bezug auf den „Ertrag“ bei gleichzeitiger Reduktion der finanziellen Mittel und Betonung des Auftrags der „Aktivierung der Eigenverantwortung der Klienten“.
In Teilen differenziert sich Soziale Arbeit in ausführende personenbezogene Beratungs- und Fürsorgetätigkeiten und dispositive Managementaufgaben aus. Professionalisierung und (Status-) Aufwertung Sozialer Arbeit werden durch die Betonung „geschlechtsneutraler“ bzw. männlich konnotierter Merkmale wie leistungsstark, effizient, kundenorientiert und outputorientiert angestrebt (Buestrich/Wohlfahrt 2008). Es besteht die Gefahr, dass diese Bestrebungen wiederum mit geschlechtsspezifisch hierarchischen Zuweisungen von Arbeitsbereichen und Positionen einhergehen. Dies geschieht, indem „männlichen“ Managementtätigkeiten „weiblich-unprofessionelle“ Arbeit mit Klienten dichotom gegenüber gestellt wird. Damit würde die Abwertung der klientenbezogenen Tätigkeiten verfestigt bzw. legitimiert.
Soziale Arbeit ist als professionelle Gewährung sozialer Rechte zu sehen. Sie darf nicht als „weibliche Fürsorge“ oder als „männliches Sozialmanagement“ geschlechterspezifisch attribuiert und hierarchisiert werden (Heite 2010).
Unter diesen Vorzeichen ist fraglich, inwieweit allein die Nicht-Mehr-Thematisierung des „Frauenberufs Soziale Arbeit“ und die Fokussierung auf eine „moderne Profession“ ausreichen, um eine Aufwertung zu erreichen. Denn die Konstruktionen von typisch weiblichen Fähigkeiten und Eigenschaften und ihre Zuschreibungen zum Beruf „Sozialarbeiterin“ haben sich bisher als resistent gegenüber Entwicklungen zu einer „geschlechtsneutrale“ Profession erwiesen. Die gesellschaftlichen Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern spiegeln sich bis heute in dem Ansehen wie auch innerhalb des Berufs wieder (Bereswill 2016, S. 33 ff.).
Literatur:
- Bereswill, Mechthild (2016): Hat Soziale Arbeit ein Geschlecht?
- Buestrich, Michael/Wohlfahrt, Norbert (2008): Die Ökonomisierung der Sozialen Arbeit. Aus Politik und Zeitgeschehen, Heft 12, S. 17 ff.
- Bundesagentur für Arbeit (2017): Die Arbeitsmarktsituation von Frauen und Männern 2016
- Busch-Heizmann , Anne (2015): Frauenberufe, Männerberufe und die Drehtür – Ausmaß und Implikationen für West- und Ostdeutsch-land. In: WSI-Mitteilungen Heft 8, S. 571 ff.
- Evans, Michaela/Kerber-Clasen, Stefan (2017): Arbeitsbeziehungen in der Care-Arbeit: Blockierte Aufwertung? In: WSI-Mitteilungen Heft 3, S. 180 ff.
- Feldhoff, Kerstin (2006): Soziale Arbeit als Frauenberuf -Folgen für sozialen Status und Bezahlung?! In: Zander, M./Hartwig, L./Jan-sen,I. (Hrsg.): Geschlecht Nebensache? Zur Aktualität einer Gender-Debatte in der Sozialen Arbeit. S. 33 ff.
- Heite, Catrin (2010): Soziale Arbeit -- Post-Wohlfahrtsstaat -- Geschlecht. Zum Zusammenhang von Professionalität und Politik. In: Böllert, K./Oelkers, N. (Hrsg.): Familienpolitik in Familienhand? Neue Verhältnisse in Konkurrenz, Autonomie oder Kooperation. S. 25 ff.
- Kühnlein, Gertrud (2007): Auswirkungen der aktuellen arbeitsmarkt- und tarifpolitischen Entwicklungen auf die Arbeits- und Beschäftigungsverhältnisse von Frauen der Sozialen Arbeit. In: Dahme, H. J./Trube, A./Wohlfahrt, N. (Hrsg.): Arbeit in Sozialen Diensten: flexibel und schlecht bezahlt? S. 35 ff.
- Merchel, Joachim/Pamme Hildegard/Khalaf, Adam (2012): Personalmanagement im Allgemeinen Sozialen Dienst (ASD) Standortbestimmung und Perspektiven für Leitung
- Rerrich, Maria (2010): Soziale Arbeit als Frauenberuf: der lange Weg zur Gendered Profession. In: Engelfried, C. (Hrsg.): Gendered Profession. Soziale Arbeit vor neuen Herausforderungen in der zweiten Moderne. S. 91 ff.
- Sachverständigenkommission zur Erstellung des Ersten Gleichstellungsberichts der Bundesregierung/Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung e. V. (Hrsg.) (2011): Neue Wege -- Gleiche Chancen. Gleichstellung von Frauen und Männern im Lebenslauf.
- Teubner, Ulrike (2008): Beruf: Vom Frauenberuf zur Geschlechter-konstruktion im Berufssystem. In: Becker, R./Kortendiek, B. (Hrsg.): Handbuch zur Frauen- und Geschlechterforschung. 2. Aufl. S.491 ff.
- Wetterer, Angelika (1995): Dekonstruktion und Alltagshandeln. Die (möglichen) Grenzen der Vergeschlechtlichung von Berufsarbeit. In: Wetterer, A. (Hrsg): Die soziale Konstruktion von Geschlecht in Professionalisierungsprozessen S. 223 ff.
- Wüst, K./Burkart, B. (2010): Womit haben wir das verdient? Weniger Geld bei besserer Leistung. In: WSI-Mitteilungen Heft 6, S. 306 ff.

Prof. Dr. Kerstin Feldhoff
Fachhochschule Münster
Fachbereich Sozialwesen
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