Zum Inhalt springen Menü

Sie sind hier:

Von Nadja Bandel-Luck

Niedrigschwellige Hilfen – Nutzen und Herausforderungen am Beispiel der Tagesaufenthalts- und Begegnungsstätte „TABS“ der Immanuel Diakonie Südthüringen GmbH

Vorbemerkung

Tagesaufenthalts- und Begegnungsstätte – hinter diesem etwas ungelenken Begriff verbirgt sich für einige Menschen ein Ort, der für elementare Dinge wie Beziehung, Gemeinschaft, Unterstützung, Akzeptanz und Würde steht. Dinge, die im Leben dieser Menschen oft keinen oder nur einen geringen Platz haben oder über die Jahre einfach verloren gegangen sind.
Die Tagesaufenthalts- und Begegnungsstätte versucht, ihnen ein Stück davon wiederzugeben und ihnen so die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen.

Suchtkranke oder –gefährdete Menschen leben nicht selten am Rand der Gesellschaft, vor allem, wenn die sozialen und gesundheitlichen Folgen der Abhängigkeit nicht mehr zu kompensieren sind. Professionelle Hilfen im medizinischen und therapeutischen Bereich (Entgiftungsbehandlungen, Langzeittherapien, Beratungsstellen verschiedener Bereiche) werden aus Scham, Angst oder dem Gefühl, nicht (mehr) anerkannt zu sein nicht in Betracht gezogen oder haben vielleicht bei einem früheren Versuch nicht den gewünschten Erfolg gebracht. Die Hemmschwelle, es erneut oder überhaupt zu versuchen ist deshalb hoch, für manche sogar unüberwindbar.

Niedrigschwellige Hilfen können hier ansetzen und einen wichtigen Beitrag dazu leisten, dass betroffene Menschen wieder oder erstmals Zugang zum Hilfesystem erhalten. Die Angebote reichen von der Versorgung über alltagspraktische Hilfen bis hin zu Freizeitaktivitäten und Gesprächsangeboten.

25 Jahre TABS

Die Tagesaufenthalts- und Begegnungsstätte (TABS) der Immanuel Diakonie Südthüringen GmbH besteht seit mehr als 25 Jahren. Sie wurde 1993 von Betroffenen für Betroffene ins Leben gerufen. Sie war das erste Angebot des Trägers im Rahmen der Suchtkrankenhilfe, welche über die Jahre zu einem umfassenden Verbundsystem ausgebaut werden konnte und weitere ambulante, teilstationäre und stationäre Hilfen umfasst (u.a. Ambulant Betreutes Wohnen, Tagesstätte für suchtkranke Menschen, Wohnheim für suchtkranke Menschen, tagesstrukturierende Maßnahmen).

Die TABS befindet sich seit etwa 1996 in einem Gebäude der Immanuel Diakonie Südthüringen GmbH, in dem mehrere ambulante Angebote der Suchtkrankenhilfe Platz gefunden haben und voneinander profitieren konnten. Neben der Tagesaufenthalts- und Begegnungsstätte befinden sich dort die Suchtberatungsstelle und eine Wohngemeinschaft im Rahmen des Ambulant Betreuten Wohnens für suchtkranke Menschen.

Den Besuchern der TABS stehen aktuell folgende Leistungen zur Verfügung:

  • ein kleines tägliches Imbissangebot
  • ein kostengünstiges Mittagessen dreimal wöchentlich
  • Angebote zur Verbesserung der persönlichen Hygiene und Pflege (Nutzung von Waschmaschine, Trockner und Dusche)
  • Freizeitangebote (u.a. Spiele- und Bastelnachmittage, Ausflüge)
  • Unterstützung in behördlichen Angelegenheiten (z.B. Hilfestellung beim Ausfüllen von Formularen und Anträgen)
  • Gesprächsangebote
  • Vermittlung in die Beratungsstelle 

Der Hauptteil der Besucher sind alkoholkranke und –gefährdete Menschen, die das Angebot der TABS in vielen Fällen schon lange nutzen. Neben der Suchtmittelproblematik leiden diese Menschen auch häufig unter (Begleit-) Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen oder anderen psychiatrischen Krankheitsbildern.

Ein kleiner Teil der Besucher gehört zu den sozial schwachen Menschen, die in der TABS Unterstützung und Anschluss gefunden haben. Der Altersdurchschnitt der Besucherinnen und Besucher liegt eher im mittleren Bereich (35 bis 60 Jahre). Die Verteilung der Geschlechter ist annähernd gleichwertig.

Die Qualität der Arbeit im niedrigschwelligen Bereich wird vor allem durch Kontinuität und Verlässlichkeit bestimmt. Die Besucherinnen und Besucher reagieren sensibel auf Veränderungen und Wechsel und können damit oft nur schwer umgehen.

Stellt man die Personal- und Finanzierungssituation niedrigschwelliger Angebote gegenüber, entsteht ein Spannungsfeld, dessen Ausbalancierung eine Herausforderung darstellt – sowohl für die dort tätigen Mitarbeiter als auch die beteiligten Träger.

Finanzierung

Die Tagesaufenthalts- und Begegnungsstätte der Immanuel Diakonie Südthüringen GmbH erhält vom zuständigen Landkreis einen Zuschuss, mit welchem 0,3 VZK Personalstellen und Sachkosten (individuelle und pauschale) mitfinanziert werden. Die Gesamtkosten sind seit diesem Jahr budgetiert.

Über den Personalanteil von 0,3 VZK werden hauptsächlich organisatorische Aufgaben und Beschäftigungsangebote abgedeckt. Die Versorgung der Besucherinnen und Besucher und die Abwicklung der damit zusammenhängenden Abläufe werden von Ehrenamtlichen übernommen. Dies wertet das Angebot „TABS“ für die Besucher einerseits auf und stellt einen höheren Grad der Verbindlichkeit her, weist andererseits aber auch auf versteckte Lücken in der Finanzierung hin.

In den vergangenen Jahren hat es verschiedene Ansätze gegeben, diese Lücken vor allem in der personellen Ausstattung zu füllen – sei es über Arbeitsprojekte, ABM-Stellen oder andere Förderprojekte; keines davon war jedoch auf Dauer ausgelegt (maximale Förderung über 2 Jahre).

Der hohe Stellenwert niedrigschwelliger Hilfen

Die umfänglichere Einbindung von Ehrenamtlichen war zunächst ein Versuch, die schwierige personelle Situation zu lösen, ohne das Angebot der TABS zu beschneiden und damit auch den Charakter dieses Angebotes zu verändern, vor allem im Bereich der Mittagsversorgung.

Versorgung ist ein Thema, das gerade für abhängigkeitskranke Menschen oder Menschen, die am Rande der Gesellschaft leben, einen hohen Stellenwert hat und teilweise auch gegenüber anderen Belangen priorisiert wird. Gerade niedrigschwellige Angebote erhalten dadurch einen besonderen Wirkfaktor, können Menschen erreichen und ihnen darüber Zugang zu anderen benötigten Hilfen und Angeboten ermöglichen.

Die Bedeutung niedrigschwelliger Hilfen sollte vor diesem Hintergrund nicht unterschätzt werden, aber es darf auch nicht außer Acht gelassen werden, dass die Vorhaltung eines solchen Angebotes den entsprechenden Träger vor große Herausforderungen stellt.

Wünschenswert wäre es daher aus fachlicher Sicht, wenn mehr finanzielle Mittel vor allem für die personelle Besetzung niedrigschwelliger Angebote zur Verfügung stehen würden, mit deren Hilfe ein verlässliches Angebot geschaffen und vorgehalten werden könnte. Um für Leistungsträger und -erbringer eine Entlastung zu schaffen, wären Modelle vorstellbar, die eine Vollfinanzierung unter Einbindung mehrerer (lokaler) Kostenträger und Sponsoren vorsehen.


Nadja Bandel-Luck
Leitung Immanuel Suchtberatung Schmalkalden

Tel.: +49 3683 69 06 70 11
n.luck@remove-this.immanuel.de