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Von Marlene Mortler

Stärkung der kommunalen Suchtberatung als Schlüsselelement der Suchthilfe

Vorbemerkung

In Deutschland gibt es etwa 1.500 Suchtberatungsstellen – fast vier pro Landkreis und kreisfreier Stadt. Auf den ersten Blick eine solide Zahl, die nahelegt, dass die Versorgung in unserem Land tatsächlich gut gesichert ist. Doch ist das wirklich so? Wie groß ist der Beratungsbedarf eigentlich? Und was können wir daraus für die Politik ableiten? Vollständige Antworten gibt es nicht. Einige Zahlen lassen aber aufhorchen:

Zunächst kennen wir die Zahl der Menschen, die mit Drogen und Sucht ein Problem haben – und die ist leider sehr groß: Wir gehen heute von mehr als vier Millionen Menschen in Deutschland aus, die von Alkohol, Medikamenten und illegalen Drogen abhängig sind. Hinzu kommen Millionen Menschen mit riskantem Konsumverhalten. Und auch nicht stoffgebundene Abhängigkeiten wie Spielsucht sind weit verbreitet. Betroffen sind auch mindestens zehn Millionen unmittelbare Angehörige von Suchtkranken, emotional, sozial, gesundheitlich und finanziell. Viele von ihnen haben Beratungsbedarf.

Nicht nur Betroffene

Aber nicht nur für die Betroffenen ist ein gutes Hilfesystem wichtig. Wir haben auch als Gesellschaft das Interesse, dass suchtkranke Menschen und ihre Angehörigen die Unterstützung erhalten, die sie brauchen. Nur ein Beispiel: Zwei Drittel der Kinder suchtkranker Eltern erkranken im Laufe ihres Lebens selbst – doch das nur, wenn wir ihnen nicht die Hilfe gewähren, die sie benötigen.   

Die Zahl der Beratungsfälle dürfte damit eher steigen als abnehmen. Und auch die Anforderungen an eine bedarfsgerechte Beratung und Betreuung nehmen zu. Suchtberatungsstellen sehen sich mit Herausforderungen wie Digitalisierung, neuen Substanzen, Suchtformen und Konsumentengruppen sowie stetig wachsendem Bedarf an interkultureller Kompetenz konfrontiert. Für die Bewältigung dieser Aufgaben werden Ressourcen gebraucht.

Verlässliche Unterstützungssysteme

Vor diesem Hintergrund muss es alarmieren, wenn der fdr, wie vor einiger Zeit geschehen, Zahlen vorlegt, die zeigen, dass die Finanzierung in der kommunalen Suchtberatung in den letzten zehn Jahren stagniert. Zu oft wurde in den Kommunen – ihnen obliegt die Aufgabe der Finanzierung der Suchtberatung im Rahmen der kommunalen Daseinsvorsorge - offenbar der Rotstift angesetzt. Zu oft blieben die notwendigen Anpassungen an die gestiegenen Ausgaben aus. Zwar versuchen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Einrichtungen an vielen Stellen, die mangelnden Ressourcen durch persönlichen Einsatz auszugleichen. Klar ist jedoch, dass diese Rechnung auf Dauer nicht aufgehen wird – und zwar nicht nur für die Einrichtungen selbst: Wenn bei der Suchthilfe und auch der Suchtprävention gespart wird, muss mit Auswirkungen in anderen kommunalen Bereichen gerechnet werden: steigende Ausgaben bei der Eingliederungshilfe, bei der Wohnungslosenhilfe, bei der Jugendhilfe, bei den Leistungen für langzeitarbeitslose Menschen usw. Aber nicht nur die finanziellen Folgen sind zu berücksichtigen. Die Folgen für das soziale Zusammenleben wiegen mindestens ebenso schwer. In einem Umfeld zu leben, in dem auch in Notlagen verlässliche Unterstützungssysteme greifen, ist wesentlich für das Erleben von sozialem Zusammenhalt in einer Stadt oder Gemeinde.  

Gemeinsam Wege finden

Wir brauchen ein funktionsfähiges Suchthilfesystem auch über den Tag hinaus! Die Suchtberatungsstellen als Ansprechpartner und Lotsen bilden dabei das grundlegende Fundament. Beratung, Begleitung, Orientierung und Wegweiser, niedrigschwellig und hochkompetent, für jede und jeden Ratsuchende/n: Das leisten in dieser Form nur die Beratungsstellen vor Ort. Sie sind damit von zentraler Bedeutung für unser gesamtes Versorgungssystem.

Ich setze mich deshalb nachdrücklich für eine auskömmliche Finanzierung der Suchtberatungsstellen ein. Dabei ist es mir wichtig, gemeinsam mit den Kommunen Wege zu finden, wie vor Ort die Funktionsfähigkeit der Suchtberatung nachhaltig sichergestellt werden kann. Aus diesem Grund habe ich die kommunale Suchthilfe und -prävention zu meinem Jahresschwerpunkt 2019 gemacht. Ich möchte überzeugen, zum Austausch anregen und gute Beispiele aufzeigen. Wir haben viele gute Ansätze in unserem Land, die es wert sind, eine breite Aufmerksamkeit zu erfahren. Hier spielen die Suchthilfeverbände eine wichtige Rolle, in dem sie ihre Arbeit und auch ihre Erfolge sichtbar machen. Die Potentiale der Suchtberatung wurden mit Beteiligung des GVS herausgearbeitet. Das ist gut so. Nun gilt es, diesen auch außerhalb der Fachkreise Sichtbarkeit zu verleihen. Dabei will ich nach Kräften helfen!

 


Marlene Mortler
Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung
im Bundesministerium für Gesundheit
Tel.: +49 30 18 441 1452
drogenbeauftragte(at)bmg.bund.de