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Von Wolfgang Weikert

Ergebnisse der orientierenden Befragung zum „Ambulant betreuten Wohnen“

Inhalt

  1. Einleitung
  2. Statistische Rahmendaten zu den Einrichtungen
  3. Ergebnisse der Befragung
  4. Empfehlungen für die weitere Vorgehensweise

1 Einleitung

1.1  Vorbemerkung

Das Ambulant betreute Wohnen (AbW), stellt eine besondere Behandlungsform für eine, bisher im „Suchthilfesystem lange Zeit unzureichend betreute und behandelte“[1] Gruppe von Menschen – häufig mit Doppeldiagnosen und weiteren Beeinträchtigungen - dar. Für diesen Personenkreis entwickelten verschiedene Einrichtungen innerhalb der Suchthilfe in enger Abstimmung mit Kostenträgern der Kommunen und der Bundesländer vielfältige Konzepte, um den diversen Schwierigkeiten dieser besonderen Klient*innengruppe gerecht zu werden.

Der Bericht über die Befragung zur Durchführung des „Ambulant betreuten Wohnens“ (AbW) aus dem Jahr 2017 bezieht sich auf eine erste, orientierende Erhebung innerhalb des Systems der Suchthilfe. Angesprochen wurden dabei Einrichtungen die AbW vorhalten und direkte oder indirekte Mitglieder des Gesamtverbands für Suchthilfe e. V. (GVS) – Fachverband der Diakonie Deutschland sind. Dazu entwickelte der regelmäßig tagende Fachausschuss „Teilhabehilfen“ des GVS  unter der Leitung des Ausschusssprechers einen Fragebogen, der insgesamt 1200 Mal versendet wurde.

Der GVS erhielt von 94 Einrichtungen eine Antwort, das einer Rücklaufquote von 7,8 % entspricht.

Die hier vorgestellten Ergebnisse spiegeln den Stand des AbW in diesen diakonischen Einrichtungen zum Zeitpunkt der Befragung wider. Bei den Empfehlungen für die weitere Vorgehensweise werden aktuelle Entwicklungen berücksichtigt.

1.2  Aufbau und Intention des Berichts

Der Bericht gliedert sich in vier Abschnitte:

  1. Einleitung
  2. Statistische Rahmendaten zu den Einrichtungen
  3. Ergebnisse der Befragung
  4. Empfehlungen für die weitere Vorgehensweise

Das primäre Ziel der Befragung war es, sich einen ersten Überblick zu verschiedenen Themen und Fragestellungen im AbW bei den beteiligten Einrichtungen zu verschaffen und daraus weitere Ansatzpunkte für eine konzeptionelle und praktische Weiterentwicklung des AbW innerhalb diakonischer Träger aufzuzeigen. In den Ergebnissen der Befragung fanden sich vermehrt Hinweise darauf, dass es für die Einrichtungen des AbW unter den gegenwärtigen Bedingungen (im Jahre 2017) immer schwerer wurde, den Spagat zwischen den Zielen und Wertorientierungen diakonischen Handelns, einer dem individuellen Bedarf deckender Hilfeerbringung und der Wirtschaftlichkeit der Einrichtungen zu schaffen.

1.3  Datenbasis

Der Fragebogen basiert auf 15 Fragen zu den Rahmendaten, die neben dem Bundesland, die zuständige städtische oder Landkreis-Zuständigkeit ebenso abfragen, wie die Hauptzielgruppe oder die Mitarbeiter*innenanzahl der Einrichtung, die aktuelle Platzzahl der Einrichtung, die Verweildauer in der Einrichtung sowie den Bewilligungszeitraum der Maßnahmen des AbW. Danach folgen 16 Items zum AbW, die vom Fachausschuss Teilhabehilfen entwickelt wurden:

  1. Gibt es einen einheitlich geregelten landesweiten Rahmenvertrag zum AbW?
  2. Sind die Verträge der Kommunen/Leistungsträger mit den Einrichtungen/Trägern der Angebote individuell geregelt?
  3. Werden eine Hilfsbedarfsermittlung, eine Dokumentation sowie Entwicklungsberichte durchgeführt bzw. erstellt?
  4. Nach welcher Bemessungsgrundlage erfolgt die Vergütung der angebotenen Leistungen?
  5. Wie hoch ist die durchschnittliche Anzahl der bewilligten klientenbezogenen Fachleistungsstunden pro Platz pro Woche?
  6. Existiert eine Aufteilung in mittelbare und unmittelbare Fachleistungen? Werden die Fahrzeiten finanziert?
  7. Existiert eine Unterscheidung von Fachleistungen und Assistenzleistungen?
  8. Gibt es zwischen Fach- und Assistenzleistungen Finanzierungsunterschiede?
  9. Wird AbW als Einzelwohnen und/oder in Wohngruppen angeboten?
  10. Liegen zu den beiden Kategorien Einzelwohnen und Wohngruppen differenzierte Leistungsbeschreibungen vor?
  11. An welche Einrichtung oder Dienst ist das AbW angebunden (zugehörig)?
  12. Welche Kooperationen haben Sie?
  13. Welche beruflichen Hintergründe haben die im AbW Tätigen?
  14. Was bereitet im Arbeitsfeld AbW (besondere) Probleme?
  15. Welche (hervorzuhebenden) Erfolge können im Arbeitsfeld AbW benannt werden?
  16. Was zeichnet Ihr AbW aus? Gibt es ein Alleinstellungsmerkmal?

2 Statistische Rahmendaten zu den Einrichtungen

2.1  Anzahl der Rückläufe mit Zuordnung zum Bundesland

Insgesamt wurden 94 Datensätze aus 13 Bundesländern zurückgesandt. Die meisten Daten-sätze kamen mit 28 Rücksendungen und einer Rücklaufquote von 30 % aus Nordrheinwestfalen. An zweiter Stelle folgte Niedersachsen mit 13 Datensätzen und einer Rücklaufquote von 14 %. Von Hessen erhielt der GVS die dritthäufigsten, nämlich 10 Datensätzen zurück, das einer Rücklaufquote 11 % entsprach.[2] Eine Ausnahme stellten die Bundesländer Bremen, Hamburg und Rheinland-Pfalz dar, die keine Rückmeldungen gaben.

2.2  Hauptbezug des Dienstes zu Stadt oder Land

Die Mehrheit der Dienste (61) konnten mit 66 % den kommunalen Trägern „Stadt“ zugeordnet werden, 31 Dienste dem Träger „Land“, das 34 % der zurückgesandten Fragenbögen entsprach.

2.3  Hauptzielgruppe des einzelnen Dienstes

Durch die Definition der Hauptzielgruppen in der Befragung nach 11, unten dargestellten Kategorien ergaben sich Überschneidungen, die eine trennscharfe Unterscheidung der Zielgruppen erschwerten.

Die Kategorie „keine klare Zielgruppe“ stellte mit 20 Nennungen eine relativ große Gruppe dar. Sie machte immerhin noch 21 % der Kategorien aus.

2.4  Anzahl der Mitarbeiter*innen des einzelnen Dienstes[3] nach Geschlecht

Die Mehrzahl der Mitarbeiter*innen innerhalb des AbW war weiblich. Zum Stichtag der Abfrage beschäftigten die Einrichtungen des AbW insgesamt 409 Mitarbeiter*innen - 276 Frauen und 133 Männer.[4]

2.5  Anzahl der aktuell vorgehaltenen Platzzahl in der Einrichtung[5]

Die Mehrzahl der Plätze wurde für männliche Bewohner vorgesehen. Am Stichtag  31.12.2016 hielten die Einrichtungen des AbW insgesamt 3006 Plätze vor. 1092 davon nutzten Personen weiblichen Geschlechts.

Hingewiesen sei an dieser Stelle auf einen wenn auch nicht neuen, aber sich bestätigenden Aspekt, der bei der Befragung auffällt: Das Geschlechterverhältnis in der Betreuung (mehr Frauen als Männer) ist umgekehrt zum Geschlechterverhältnis in Bezug auf die Betreuten, die überwiegend Männer sind.

2.6  Durchschnittliche Verweildauer in den Einrichtungen des AbW[6]

Die durchschnittliche Verweildauer der Klient*innen im AbW betrug 24 Monate.

2.7  Durchschnittliche Bewilligungszeiträume der Maßnahmen in drei Kategorien[7]

Die Bewilligungszeiträume sind der Übersichtlichkeit halber in der Abfrage in drei Kategorien aufgeteilt:

  1. Bis zu 6 Monate: 14 %
  2. Bis zu 1 Jahr:        40 %
  3. Über 1 Jahr:         46 %

Das heißt: Der größte Teil der Klient*innen (etwa die Hälfte) wurde mehr als ein Jahr betreut (der Durchschnitt betrug 24 Monate).

2.8  Leistungsrechtliche Zuordnung der einzelnen Dienste auf den § 67 oder 53 SGB XII

14 % der Klient*innen entfielen leistungsrechtlich auf den § 67, 84 % auf den § 53 SGB XII.
8,51 % waren in beiden Kategorien zugeordnet und 2 % waren ohne Angaben.

3 Ergebnisse der Befragung

3.1  Gibt es einen einheitlich geregelten landesweiten Rahmenvertrag zum AbW?

62 % beantworteten diese Frage mit „Ja“, 36 % mit „Nein“ und 2 % der Befragung waren ohne Angaben.

Im Detail unterschieden sich die Antworten auch dann, jeweils nach Bundesländern, wenn sie scheinbar gleich mit „Ja“ oder „Nein“ geantwortet hatten. In einzelnen Bundesländern wurde zum Beispiel das AbW unterschiedlich interpretiert, bzw. einzelne Leistungen getrennt bewertet. „Die Betreuung ist entsprechend dem individuell festzulegenden Hilfe-, Gesamtplan befristet oder auf Dauer angelegt, während das Wohnen nach Möglichkeit auf Dauer angelegt sein soll.“[8]

In anderen Bundesländern gab es zwar Rahmenvereinbarungen, diese waren aber zum Teil auf einzelne Landkreise beschränkt.

3.2  Sind die Verträge der Kommunen/Leistungsträger mit den Einrichtungen/Trägern der Angebote individuell geregelt?

Hier antworteten 69 % der Befragten mit „Ja“, 30 % mit „Nein“ und 1 % blieben o. A. Auch dieser Sachverhalt führte zu erheblichen Unterschieden in den Antworten, die in differenzierten Anmerkungen zu den jeweiligen betroffenen Bundesländern niedergelegt wurden. Ein Beispiel für die Antworten: „Große Unterschiede zwischen Kommunen/Leistungsträgern. Und innerhalb einer Kommune mit unterschiedlichen Anbietern.“ [9]

3.3  Werden eine Hilfsbedarfsermittlung, eine Dokumentation sowie Entwicklungsberichte durchgeführt bzw. erstellt?

Fast alle Einrichtungen antworteten hier mit „Ja“. Es bestand eine große Übereinstimmung in den Antworten: 98 % der Einrichtungen erstellen eine Hilfsbedarfsermittlung, 100 % eine Dokumentation und 93 % einen Entwicklungsbericht.

Auffällig war jedoch in den Anmerkungen zu den Antworten, dass viele unterschiedliche mit Abkürzungen oder Namen bezeichnete Verfahren angewandt wurden, zum Teil Software gestützt und zum Teil nicht.

In Bayern und in einigen anderen Bundesländern gibt es eine besondere Situation: Hier darf die Hilfebedarfsermittlung nicht durch die eigene Einrichtung, sondern muss durch eine „dritte Stelle“ erfolgen. Bei dieser sogenannten „dritten Stelle“ handelt es sich oftmals nicht um eine unabhängige Institution, sondern um eine Beratungsstelle eines anderen Trägers. Das verständlicherweise interessengeleitete Agieren führt vor Ort zu nicht förderlichen konkurrenzartige Bedingungen, durch die eine Gefahr für die Inanspruchnahme des Wunsch- und Wahlrechts der / des Klient*in gesehen wird.

3.4  Nach welcher Bemessungsgrundlage erfolgt die Vergütung der angebotenen Leistungen?

Bei der Mehrheit der Einrichtungen, bei 70  %, erfolgte die Vergütung der angebotenen Leistungen nach Fachleistungsstunden. 15 % erhielten Tagessätze und 15%  Pauschalen. Darüber hinaus gaben 7 % zusätzlich das Item „Sonstige“ an.

In den Anmerkungen zu dieser Frage gab es eine Vielzahl von differenzierten Angaben zu den jeweiligen Bedingungen und Einzelheiten der Vergütung. Da die Höhe der jeweiligen Vergütungen nicht abgefragt wurde, ließen sich auch keine Vergleiche hinsichtlich ihrer Höhe in Bezug auf geleistete Stunden berechnen.

3.5  Wie hoch ist die durchschnittliche Anzahl der bewilligten klientenbezogenen Fachleistungsstunden pro Platz pro Woche?

54 % der Befragten gaben an, weniger als 3 Stunden „klientenbezogene Fachleistungsstunden“ pro Platz und pro Woche bewilligt zu bekommen. Bei 13 % belief sich die Bewilligung auf 4-6 Stunden. Auf die Kategorie 7-10 Stunden entfielen 0 %. 1 % gaben 11-15 Stunden an und 2 % über 15 Stunden bewilligt bekommen zu haben.

In verschiedenen Bundesländern wurden detaillierte Berechnungen erstellt und in den Anmerkungen angegeben.

3.6  Existiert eine Aufteilung in mittelbare und unmittelbare Fachleistungen? Werden die Fahrzeiten finanziert?

56 % der Befragten beschrieben eine Aufteilung in mittelbare und unmittelbare Fachleistungen. 21 % der Befragten verneinten dieses.

Eine Fahrzeitenfinanzierung bejahten 27 % der Befragten, verneint wurde dieses von 42 % der Befragten. 31 % der Befragten machten hierzu keine Angaben.

3.7  Existiert eine Unterscheidung von Fachleistungen und Assistenzleistungen?

Die Mehrheit der Befragten, 78 %, antwortete hier mit „Nein“. 15 % mit „Ja“ und immerhin noch 7 % machten hierzu keine Angaben.

Hinzu kam, dass in einzelnen Bundesländern gar nicht nach Fachleistungsstunden abgerechnet, sondern Pauschalen gezahlt wurden.[10] (Siehe hierzu auch 3.4.)

3.8  Gibt es zwischen Fach- und Assistenzleistungen Finanzierungsunterschiede?

Abgerechnete Assistenzleistungen abgerechnet waren in der Regel vom Umfang her oft begrenzt. Als Beispiel kann hier Hessen gelten, wo 80 % Fachleistungen und 20 % Assistenzleistungen erbracht werden durften. Hinzu kam, dass dann die Möglichkeit bestand „15 % der Fachleistungen“ durch eine Assistenzkraft abzudecken.

Die Vielfalt der differenzierten Regelungen je nach Bundesland, ähnelte hier „einem Flickenteppich“, der sich aus hunderten von abgestuften Farben zusammensetzt.

3.9  Wird AbW als Einzelwohnen und/oder in Wohngruppen angeboten?

Der Schwerpunkt der Wohnformen lag eindeutig beim Einzelwohnen. Hier antworteten 85 % der Befragten mit „Ja“, 15 % mit „Nein“. Bei den „Wohngruppen“ antworteten etwa die Hälfte der Befragten, 46 % mit „Ja“, 46 % mit „Nein“.

In Baden-Württemberg fand das Betreuungsangebot für Suchtkranke nur in Wohngemeinschaften statt. In Bayern wurde bei einem einzelnen Anbieter gar kein Wohnraum angeboten, bei einem anderen fand Einzelwohnen nur mit Ausnahmegenehmigung statt. Zum Teil fand in Bayern auch Einzelwohnen „in eigener Wohnung“[11] statt.

In Hessen waren „die Betreuten“ „jeweils eigenständig Mieter*innen ihrer Wohnungen“.

In Mecklenburg-Vorpommern wurde AbW in der eigenen Wohnung ebenso, wie in einem Haus, das dem Träger gehört, angeboten. Der Mietvertrag war hier „mit geforderter Abstinenz gekoppelt“.

3.10  Liegen zu den beiden Kategorien Einzelwohnen und Wohngruppen differenzierte Leistungsbeschreibungen vor?

Auf die Frage, ob differenzierte Leistungsbeschreibungen für die Kategorien vorlagen, antworteten beim Thema Einzelwohnen 60 % mit „Ja“ und 28 %  mit „Nein“. Beim Thema „Wohngruppen“ antworteten 27 % mit „Ja“ und 58 % mit „Nein“.

3.11  An welche Einrichtung oder Dienst ist das AbW angebunden (zugehörig)?

Die meisten Einrichtungen waren mit 36 % an Suchtberatungsstellen angebunden. 21 % der Einrichtungen bildeten einen eigenständigen Dienst, 14 % wurden dem „Stationären Wohnen“ zugeordnet, 7 % einer Sozialtherapeutischen Einrichtung und 6 % einer Psychiatrischen Einrichtung. In den Anmerkungen zu dieser Frage erläuterten differenzierte Angaben die Anbindung der Dienste. so wurde ausgeführt, dass das AbW zum Teil „der Wohnungslosenhilfe“ zugordnet war. 16 % der befragten Einrichtungen tätigten an dieser Stelle keine Angaben.

3.12  Welche Kooperationen haben Sie?

Die befragten Einrichtungen kooperierten mit allen für die Zusammenarbeit notwendigen Einrichtungen. Je nach Bundesland gab es unterschiedliche Kooperationsschwerpunkte:

  • 76 % arbeiteten mit den Suchtberatungsstellen/Fachstellen Sucht zusammen
  • 72 % arbeiteten mit öffentlichen Einrichtungen zusammen
  • 73 % arbeiteten mit psychiatrischen Einrichtungen zusammen
  • 72 % arbeiteten mit Fachkliniken/Therapieeinrichtungen zusammen
  • 45 % arbeiteten mit Betreuungsdiensten zusammen
  • 36 % arbeiteten mit Pflegediensten zusammen
  • 61 % arbeiteten mit Werkstätten f. b. M[12]. zusammen
  • 57 % arbeiteten mit Sozialtherapeutischen Einrichtungen zusammen
  • 49 % gaben „Sonstige“ an[13]
  •   7 % machten keine Angaben

Die differenzierten zusätzlichen Angaben in den Anmerkungen zu dieser Frage machten deutlich, dass die Einrichtungen zum AbW über ein vielfältiges Kooperationsnetz verfügen, das sie zum Wohle ihrer Klient*innen nutzen.

3.13  Welche beruflichen Hintergründe haben die im AbW Tätigen?

Auch bei den beruflichen Hintergründen der Beschäftigten wurde das hohe fachliche Niveau in der Betreuung innerhalb des AbW deutlich:

  • 91 % waren Sozialarbeiter*innen /Sozialpädagog*innen
  •   2 % waren Psycholog*innen
  • 24 % waren Erzieher*innen
  • 18 % waren Heilerziehungspfleger*innen
  • 30 % waren Nichtfachkräfte
  •   9 % waren Ehrenamtliche
  •  32 % waren Sonstige

3.14  Was bereitet im Arbeitsfeld AbW (besondere) Probleme?

Bei den Fragen 15 und 16 wurden mehr als 300 Einzelantworten[14] gegeben, die sich grob in verschiedene Kategorien unterteilen ließen:


3.14.1  Probleme, die sich auf die Klient*innen bezogen:

An erster Stelle der Problematiken im AbW steht „häufige Kriseninterventionsnotwendigkeit“. Da sich der Personenkreis des AbW mit vielfältigen Problemlagen und durch „ca. 50 % der Klient*innen mit Doppeldiagnosen“ auszeichnet, beschrieben die Einrichtungen einen „hohen Alkoholkonsum“ und damit verbunden viele „Kündigungen von wiederholt rückfälligen Klient*innen“, dass sich in der häufigen „Einstellung von Kostenübernahmen durch Rückfälligkeit“ niederschlägt.

Die Krisen fanden „sehr oft“ „am Abend und an Wochenenden“ statt.

Weitere, oft genannte Probleme waren „psychische Instabilität“, „fehlender Antrieb einer Arbeit nachzugehen“ sowie die „Vereinsamung der Klient*innen“. Aber auch: „fehlende soziale Kompetenzen“ oder Mängel im Bereich „Sauberkeit“. Schwierigkeiten wurden auch berichtet, bei dem Versuch, die Klient*innen in den ersten oder zweiten Arbeitsmarkt zu integrieren.

Viele Klient*innen seien „stigmatisiert“, „stark unmotiviert“ und hätten „starke Folgeschäden der Abhängigkeitserkrankung“. Der „Anteil der älteren Klient*innen“ steige ebenso wie der „Anteil an stark vorgealterten Klient*innen“.

In vielen Fällen ging es vor allem darum, das Leben und die Unversehrtheit der betroffenen Personen bei Krisen, die meistens mit Rückfällen einhergingen, sicherzustellen. Weitergehende, zum Beispiel therapeutische Ziele, seien oftmals wegen der häufigen lebensbedrohlichen Vorfälle kaum zu erreichen gewesen.

 

3.14.2  Probleme, die sich auf die Rahmenbedingungen bezogen:

Hier standen die aufwendigen Antragsverfahren an erster Stelle. Außerdem die „zeitliche Begrenzung“ auf ½ bzw. 1 Jahr erschien in „vielen Fällen zu kurz und statisch“ zu sein. Daraus ergab sich oft, eine „relativ hohe Verweildauer, z. T. durch Verbleib im AbW ohne Finanzierung“.

Schwierigkeiten wurden auch berichtet bei der „Suche nach geeignetem Personal“ ebenso wie bei der „Suche nach geeignetem Wohnraum für die Einrichtung“.

Viele der Einrichtungen kofinanzierten ihre Arbeit häufig durch „Spenden“, „da der volle Umfang der Leistung (...) von keinem Kostenträger finanziert wird“.

„Lange Fahrtzeiten“ zu den Klient*innen in den „Flächenlandkreisen“ und „der Einsatz von privaten Fahrzeugen als Dienstwagen“ stellen unbefriedigende Rahmenbedingungen dar.

Beklagt wurden aber auch: „Die fehlende Finanzierung von ausgefallenen Terminen (Zeitbereitstellung)“, die „lange Wartezeit auf Kostenträgerbescheide“ und „zu geringe Vergütungen bei den Fachleistungsstunden“.

Ebenso kritisch sehen die Mitarbeiter*innen den „sehr hohe zeitliche Aufwand der Hilfeplankonferenz“ sowie die „E-Berichte“, die „Verwaltung Aufnahme-Entlassung im Verhältnis zu den bewilligten Fachleistungsstunden, bevor es überhaupt zu einer individuellen Betreuung kommen kann“.

3.15  Welche Erfolge können im Arbeitsfeld AbW benannt werden?

Die Erfolge im AbW wurden von den befragten Einrichtungen sehr differenziert benannt und bezogen sich vor allem auf die Stabilisierung der Klient*innen und die Verbesserung der Konzeptionen bzw. des Leistungsangebots.

Die „Anzahl der Rückfälle“ sei zurückgegangen, dieses sei gerade in Anbetracht der schwierigen und besonders belasteten Klientel eine erwähnenswerte Leistung. Die Abstinenzquote sei „überdurchschnittlich“. Ebenso erwähnt wurde die „erfolgreiche Integration in den ersten und zweiten Arbeitsmarkt“. Hier gab es zum Teil auch völlig gegensätzliche Angaben: Manche Einrichtungen berichteten „überdurchschnittliche Erfolge“ und andere genau das Gegenteil davon.

Bei den Klient*innen sei, neben der „Abstinenzsicherung“, die „Wohnraumsicherung“, die „Aufarbeitung von Verschuldung“ und die „Vermeidung von stationären Aufenthalten“, die „Vermittlung in Ausbildung“ besonders erwähnenswert.

3.16  Was zeichnet Ihr AbW aus? Gibt es ein Alleinstellungsmerkmal?

Viele Befragte nannten den „hohen fachlichen Standard“ ihrer Betreuungsleistungen und betonten, dass „eine engmaschige Betreuung“ ebenso möglich sei, wie eine „24 Stunden-Betreuung“. In einzelnen Einrichtungen konnten idealerweise die gleichen Bezugspersonen, die im stationären Setting die Klient*innen betreut hatten, die ambulante Betreuung weiterführen.

Immer wieder betont wurde die gute „Vernetzung“ der jeweiligen Angebote, entweder innerhalb einer Trägerschaft, aber in Einzelfällen auch über verschiedene Träger hinweg.

Ebenso herauszustellen ist das Angebot „aus einer Hand“ sowie die Betreuung von „nicht abstinenzfähigen Klienten“ mit einem „suchtakzeptierenden Ansatz“.

Da das AbW häufig die Betreuung von mehrfachgeschädigten (CMA) Klient*innen übernimmt, spielte die umfassende Tagesbetreuung und das Zurverfügungstellen  von tagesstrukturierenden Angeboten eine besonders große Rolle.

Als Alleinstellungsmerkmal bezeichneten die Befragten:

  • 24 Stunden-Bereitschaft
  • Nur Fachpersonal Sozialarbeit mit Erfahrung in Suchtarbeit
  • Einziger Anbieter für Suchtkranke im Landkreis
  • Arbeit auch mit Substituierten
  • Tagesstrukturierende Angebote an 6 Tagen die Woche
  • Qualifikation der Mitarbeiter („keine Honorarkräfte“ beschäftigt)
  • „Unser Leitbild“[15]
  • Niedrigschwellig und sehr klientenorientiert
  • Die Dienste sind sozialräumlich nach Stadtbezirken ausgerichtet
  • „es erfolgt eine regelmäßige Zielüberprüfung...““

Zusammenfassung

Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick:

Die Befragung erbrachte einen ersten Überblick zur Durchführung des AbW in diakonischen Einrichtungen, denen allen gemeinsam war, dass sie einen hohen Qualitätsanspruch hinsichtlich ihrer Leistungen für die Klient*innen vertraten. Das betraf die Qualifikationen des Personals (überwiegend Sozialarbeiter*innen und Sozialpädagog*innen) ebenso wie die Vielfalt der Konzepte hinsichtlich der Betreuung der Klient*innen. Diese reichten von einer differenzierten Eingangsdiagnostik bis zu einer vielfältigen Tagesbetreuung für die oftmals mehrfach geschädigten Klient*innen und einem differenzierten Umgang mit den auftretenden Krisen, die in einer hohen durchschnittlichen Aufenthaltsdauer von ca. 24 Monaten deutlich wurden.

Dem gegenüber standen aber auch Klagen über den „vorzeitigen Abbruch“ des AbW durch „sehr häufige Rückfälle“ der Klient*innen.

Inwiefern die bisherige Konzeption des AbW durch die auf der Grundlage der neuen Gesetzgebung des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) geschlossenen Landesrahmenverträge in Frage gestellt wird bzw. verändert werden muss, bleibt abzuwarten.

4 Bewertung der Ergebnisse und Empfehlungen für die weitere Vorgehensweise

Die Weiterentwicklung des Konzepts AbW

Die erste orientierende Befragung erbrachte einen allgemeinen Überblick zur Durchführung des AbW in 94 diakonischen Einrichtungen. Auffällig war dabei die sehr geringe Rücklaufquote. Eines der ersten Ziele einer weiteren Untersuchung sollte es daher sein, einen höheren Rücklauf zu erzeugen und die Befragung oder eine andere Form der Untersuchung so zu konstruieren, dass Ergebnisse mit einem höheren Aussagewert erzielt werden können, mit deren Hilfe das Konzept AbW weiter entwickelt und an die sich veränderten Rahmenbedingungen angepasst werden kann.

Vielfältige Konzeptionen bzw. fehlende gemeinsame Definitionen zum AbW?

Bei der Auswertung der Ergebnisse der Befragung wurde auch deutlich, dass es vor allem an gemeinsamen Definitionen für verschiedene Begriffe mangelte bzw. an einem übereinstimmenden, von allen Befragten geteilten, Verständnisses für das AbW. So gab es zum Beispiel auch Antworten von Einrichtungen, die stationären Einrichtungen angegliedert waren und nach dem Verständnis des Autors gar nicht der Definition eines AbW entsprachen. Das heißt: Diese Einrichtungen waren nicht ambulant, sondern stationär organisiert.

In der Befragung wurde zum Beispiel bei Frage 3 nach der Zielgruppe nach anderen Definitionen gefragt, als in anderen Befragungen (KDS, KDS-E, KDS-F, etc.), die mit standardisierten Kategorien arbeiten, üblich. Hier wäre es sinnvoll, eine solche Befragung zukünftig nach einheitlichen (weil vergleichbaren) Definitionen durchzuführen, die sich an den, im Suchtbereich üblichen Definitionen und Kategorien orientieren. Das betrifft vor allem Diagnosekriterien im Sinne der ICD 10 bei der Zielgruppe der Maßnahmen, aber auch erweiternde Diagnosen im Sinne einer ICF Diagnose, zum einen um den Hilfebedarf präziser fassen zu können und zum anderen um den Erfolg von Interventionen im Sinne von Evaluation besser abschätzen zu können. Durch die Verwendung gemeinsamer Diagnosekategorien (ICD 10 und ICF) könnten auch Evaluationen hinsichtlich der Effektivität und Wirksamkeit der Maßnahmen durchgeführt werden. Dabei wäre aber auch zu berücksichtigen, dass die mehrfachbeeinträchtigen Klient*innen oftmals nicht ausreichend mit dem üblichen „Erfolgsinventar“ überprüft werden können, sondern das hier eigene Erfolgskriterien im „Sinne eines gelingenden Lebens“ entwickelt werden müssten[16].

Das betrifft aber auch einzelne Maßnahmen wie die Hilfebedarfsermittlung, die Dokumentation und die Entwicklungsberichte, die nicht nach einheitlichen Kriterien erstellt werden. Damit wird einerseits die Vergleichbarkeit der Maßnahmen ebenso erschwert, wie die Überprüfung der Effektivität der Interventionen. In Anbetracht des „bunten Flickteppichs“ der angewandten Instrumente und Maßnahmen erscheint es fast müßig zu glauben, hier könne es kurzfristig zu einer Standardisierung der Instrumente kommen, die auch die stundenmäßigen Aufwände reduzieren könnte.

Der aktuelle Jahresbericht 2017 der Deutschen Suchthilfestatistik (DSHS) enthält bereits Daten zum AbW, wenngleich auch in geringer Fallzahl, so dass davon ausgegangen werden kann, dass es schon zu einer teilweisen Standardisierung gekommen ist, was die Erhebung und die Aufnahme von Daten zum AbW in die Datensätze des DSHS nahelegt. Dieses war eine Forderung einiger Teilnehmer*innen der Befragung, bzw. des Ausschusses Teilhabehilfen des GVS.

Aus der Auswertung der vielfältigen Befragungsergebnisse ergaben sich verschiedene Fragestellungen, die bei einer erneuten Befragung eine zentrale Rolle spielen und zu mehr Transparenz hinsichtlich der Konzepte führen könnten.

Weitere Fragen zum AbW

  1. Was wird überhaupt unter einem „Ambulant betreuten Wohnen“ verstanden?
  2. Nach welchen Kriterien soll es warum durchgeführt werden?
  3. Was ist konzeptionell sinnvoll? (bei mehrfach belasteten Klient*innen)
  4. Welche Forderungen stellen die Kostenträger?
  5. Was bedeutet Wirksamkeit im AbW?
  6. Wie soll eine Wirksamkeitskontrolle durch wen durchgeführt werden?
  7. Wie können das christliche bzw. diakonische Verständnis von Hilfe mit der Notwendigkeit von Wirtschaftlichkeit zusammengebracht werden?
     

Bei der Sichtung der Ergebnisse wurde ebenso deutlich, dass es auch sehr große Unterschiede sowohl bei der Beantragung der Leistungen als auch bei der Art und Weise der Genehmigung und Durchführung und den dabei zum Tragen kommenden Maßnahmen gab.

Welche Klient*innen brauchen welche Maßnahmen?

Die, zum Teil, langen Bewilligungszeiträume deuten darauf hin, dass es einen Zusammenhang zwischen den soziodemografischen Daten der Klient*innen und den differenzialdiagnostischen Kriterien geben könnte. Dieses müsste noch genauer untersucht werden, auch um mehr Daten über die Klient*innen zu bekommen, mit deren Hilfe sich die Konzeption AbW verbessern ließe und mit ihr auch die Qualität der Interventionen und damit verbunden die Ergebnisse der Behandlungen. In Anbetracht der Tatsache, dass wir in Deutschland bereits über erprobte Kategorien (orientiert am KDS-E und KDS-F) innerhalb der Suchttherapie verfügen, um Patient*innengruppen zu differenzieren, sollten diese so zur Anwendung kommen, dass sie ein stärkeres Individualisieren der Betreuung ermöglichen. Das heißt konkret: Wodurch lassen sich diese schwierigen Klient*innengruppen genauer beschreiben und aus dieser Beschreibung Interventionen für die Behandlung entwickeln?

Gerade die vielen berichteten positiven Ergebnisse vieler Behandlungskonzepte mit diesem sehr schwierigen Klientel lassen sich mit einigen der üblichen Evaluationskriterien in der Suchtbehandlung („ordnungsgemäße Beendigung der Therapie“, „Abstinenz“, „Vermittlung in Arbeit“, „Stabilisierung der Partnerschaft“ etc.), gar nicht umfassend bewerten. Daher sollte eine weitere Untersuchung nicht nur einen höheren, aussagefähigen Rücklauf erzeugen, sondern auch den Erfolg der Interventionen in Form einer wissenschaftlichen Evaluation überprüfen.

Allen Einrichtungen gemeinsam war, dass sie sich um einen hohen Qualitätsanspruch bei ihrer Arbeit bemühten. Das bezog sich zum einen auf die Bereitstellung qualifizierten Personals mit speziellen Ausbildungen für schwierige Klient*innengruppen (mehrfachgeschädigte chronisch Suchtkranke, Doppeldiagnosen, etc. ) und zum anderen auch auf die konzeptionellen Vorgehensweisen, die für die effektive Versorgung dieser besonderen Klientel nötig waren.

Aufgrund (oder gerade wegen) des vielfältigen Leistungsangebots und der angewandten Verfahrensweisen gab es kaum standardisierte Vorgehensweisen. Dieses betraf besonders die Beantragung der Leistungen bei den unterschiedlichen Kostenträgern, die Durchführung der unterschiedlichen Konzeptionen sowie eine mögliche Evaluation der Maßnahmen durch ein einheitliches Bewertungsverfahren über die Wirksamkeit der Leistungen.

Standarisierung von Maßnahmen, um Wirksamkeit und Reichweite zu erhöhen?

Daher muss die Frage erlaubt sein: Welche Maßnahmen sind wirksam und könnten sie soweit standardisiert werden, dass eine breitere Anwendung im Sinne einer „Best practice“ für alle Einrichtungen zum Tragen kommen kann?

Da fast jeder Dienst seine Leistungen einzeln und nach sehr unterschiedlichen Kriterien bei zum Teil verschiedenen Leistungsträgern beantragen musste, wurde auch deutlich, dass es zum einen eines erheblichen Verwaltungsaufwands bedurfte und zum anderen lange Wartezeiten auf die Bewilligung entstanden. Das beinhaltete das Risiko einer Nichtgenehmigung ebenso wie hoher verwaltungstechnischer Stundenaufwände, die nicht über abrechenbare Leistungen abgedeckt wurden. Viele Leistungserbringer beklagten, dass sie ihre Leistungen ohne Kostenzusagen erbringen mussten und diese zum Teil durch Spenden finanzierten, um sie überhaupt durchführen zu können.

Last but not least: Das neue Bundesteilhabegesetz (BTHG) wird einen entscheidenden Einfluss auf die konzeptionelle Gestaltung des AbW haben, weil es mit seinen Anforderungen die bisherigen Konzepte verändern wird.

Einzelne Auswirkungen des Bundesteilhabegesetzes auf zukünftige Gestaltung des AbW

Das neue Bundesteilhabegesetz (BTHG) wird voraussichtlich einen sehr großen Einfluss auf die zukünftige konzeptionelle Gestaltung des AbW haben. Zum einen wird durch die Veränderung der gesetzlichen Rahmenbedingungen sowohl die Beantragung des AbW geändert, zum anderen durch die Veränderungen der Rahmenbedingungen auch die konzeptionelle Durchführung des AbW beeinflusst. Es kommt ggf. nicht nur zu einem Kostenträgerwechsel, sondern auch zu grundsätzlichen strukturellen Veränderungen, die in ihren konkreten Auswirkungen zum Teil noch gar nicht abschätzbar sind.

Zukünftig wird ein einziger Reha-Antrag gestellt werden und es wird gemeinsam mit dem Leistungsberechtigten geschaut, welche Leistungen er benötigt. Es soll zu einem „Perspektivwechsel[16]“ kommen:

  • Von der Ausgrenzung zur Inklusion
  • Von der Einrichtungs- zur Personenzentrierung
  • Von der Fremd- zur Selbstbestimmung
  • Von der Betreuung zur Assistenz
  • Vom Kostenträger zum Dienstleister
  • Von der Defizitorientierung zur Ressourcenorientierung
     

Die Änderungen treten stufenweise in Kraft: Teil 2 im SGB IX: 01.01.2020 (Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen). Eine vollständige Umsetzung ist bis 2023 geplant. Bis 2023 soll eine Neudefinierung der Leistungsberechtigten erfolgen.

Eine der wichtigsten Veränderungen ist aber die Trennung von therapeutischen, pädagogischen Fachleistungen (Kostenträger Eingliederungshilfe) und existenzsichernden Leistungen, Lebensunterhalt und Unterkunft, (Kostenträger Sozialhilfe). Dieses wird dazu führen, dass die von vielen Einrichtungen favorisierte und geschätzte Rahmenbedingung alle Dienste „aus einer Hand“ anzubieten, in dieser Form nicht mehr möglich sein wird.

Es werden (flächendeckend) ergänzende unabhängige Teilhabeberatung (EUTB) eingeführt, die helfen sollen:

  • damit Menschen mit Behinderung selbstbestimmt leben können
  • Unterstützung bei Fragen zur Teilhabe
  • Bessere Beratung über mögliche Leistungen
  • Berater sollen Menschen sein, die ebenfalls von einer Behinderung betroffen sind (Peer Counseling)
  • Beratungsstellen im eigenen Umkreis zu finden auf: https://www.teilhabeberatung.de/beratung/beratungsangebote-der-eutb

Umgang mit dem sozialen und gesellschaftlichen Wandel?

In diesem Zusammenhang muss auch die Frage erlaubt sein, wie es diakonischen Einrichtungen gelingen kann, sich dem aktuellen sozialen und gesellschaftlichen Wandel anzupassen.

Da auf Seiten der Kostenträger der Ruf nach kostengünstigen Maßnahmen immer lauter wird und Einrichtungen bei den Kostenzusagen (laut Befragung) bevorzugt werden, die besonders günstig erscheinen, nimmt die Bedeutung der Darstellung des AbW auf der Grundlage definierter Qualitätskriterien grundlegend zu.

Wirksamkeit der Maßnahmen im AbW – Wirtschaftlichkeit der Maßnahmen im AbW

Das bedeutet aber auch: Die unterschiedlichen Konzepte sollten auf ihre Wirksamkeit hin genauso betrachtet werden, wie in Hinsicht auf ihre Wirtschaftlichkeit.

  • Welche Konzepte welcher Einrichtungen sind bei schwierigen Klient*innen wirksam?
  • Wie soll die Wirksamkeit gemessen werden?
  • Welche Konzepte sind warum wirtschaftlich? Wie soll das gemessen werden?
     

Dazu müssten Qualitätskriterien für das AbW entwickelt werden, die eine Evaluation und damit auch Überprüfung der Maßnahmen nach Effektivität zu lassen. Die Kostenträger und der Gesetzgeber[18] schreiben eine Qualitätssicherung bei den Einrichtungen vor. Wie wird dieser durch was in den Einrichtungen zum AbW Rechnung getragen?

Aus den Antworten der Befragung ging nicht hervor, inwieweit und vor allem wie eine Evaluation der Maßnahmen des AbW durchgeführt wurde.

Weiterentwicklung durch Digitalisierung innerhalb der Sozialen Arbeit?

Ein letzter Gedanke, der bei sich bei der Durchsicht der Ergebnisse geradezu aufdrängte: Welche Rolle spielen in der sozialen Arbeit der Zukunft soziale Medien und die Verwendung neuer Techniken? Hier sind vor allem facebook[19] zu nennen, um auf eine niedrigschwellige Art und Weise Klient*innen früh zu erreichen und anzusprechen und zu einer Beratung zu motivieren.

Welche Rolle könnten aber auch Techniken der Kommunikation, wie zum Beispiel Skype bei der Beratung in Flächenlandkreisen spielen? Lassen sich einzelne Beratungsphasen im weiteren Verlauf der Betreuung auch über technische Medien durchführen? Zum Beispiel Videokonferenzen bei Fallbesprechungen, Terminabsprachen mit WhatsApp und ähnlichen Plattformen.

Weitere, eher qualitativ ausgerichtete Untersuchungen und Forschungsprojekte, könnten hier neue Erkenntnisse erbringen, die dann zu einer Weiterentwicklung der Maßnahmen im Sinne eines „Best practice“ im AbW führen könnten.

[1] GVS (2019)

[2] Bezogen auf die Rückläufe innerhalb des jeweiligen Bundeslandes.

[3] Die vollständige Überschrift in der Abfrage lautet: „Anzahl der Mitarbeiter des einzelnen Dienstes mit Angaben zum Geschlecht nach Vollzeitangaben am Stichtag 31.12.2016“. Der Lesbarkeit halber wurde die Überschrift verkürzt.

[4] Die Zahlen wurden aufgerundet. (408, 50 sowie 275, 69 und 132, 81).

[5] Die vollständige Überschrift in der Abfrage lautet: „Anzahl der aktuell vorgehaltenen Platzzahl in der Einrichtung mit Angaben zum Geschlecht zum Stichtag 31.12.2016“. Der Lesbarkeit halber wurde die Überschrift gekürzt.

[6] Die vollständige Überschrift in der Abfrage lautet: „Durchschnittliche Verweildauer der Klienten in der Einrichtung in Monaten am Stichtag 31.12.2016“. Die Überschrift wurde der Lesbarkeit halber gekürzt.

[7] Die vollständige Überschrift in der Abfrage lautet: „Durchschnittliche Bewilligungszeiträume der Maßnahmen in 2016 mit Aufteilung der Klienten auf drei Kategorien“.

[8] Baden-Württemberg, Auszug aus den Sozialhilferichtlinien Baden-Württemberg (2009)

[9] Niedersachsen

[10] Zum Beispiel in Sachsen oder in Sachsen-Anhalt.

[11] Damit war gemeint, dass die / der Klient*in einen eigenen Mietvertrag hatte.

[12] Werkstätten für behinderte Menschen

[13] Diese wurden in den differenzierten Anmerkungen konkret benannt, zum Beispiel Allgemeinkrankenhäuser oder niedergelassene Ärzte, forensische Einrichtungen, Tafel, Arbeitstherapien, Sozialkaufhäuser, Selbsthilfegruppen, Vereine, Frauenbeauftragte, Frauenhäuser, Bewährungshilfe etc.

[14] Hier wäre eine gesonderte statistische Auswertung von Nöten, deren Umfang eine eigene Arbeit rechtfertigen würde. Aus Gründen der Übersichtlichkeit konnten daher hier nur die am häufigsten genannten Problembereiche angesprochen werden.

[15] „Wir sind glaubhaft gegenüber den Menschen. Wir hoffen und vertrauen auf die Veränderungsbereitschaft der Menschen. Wir stellen die Stärken unserer Klienten in den Vordergrund. Toleranz und Respekt gegenüber allen Menschen, unabhängig vom Glauben bestimmen unsere Arbeit.

[16] BeB (2017)

[17] Zum BTHG: https://www.bmas.de/DE/Schwerpunkte/Inklusion/bundesteilhabegesetz.html

[18] „In § 20 SGB IX wird zur Qualitätssicherung ausgeführt, dass die Erbringer von Leistungen zur Rehabilitation ein Qualitätsmanagement sicherstellen.“ (Christian Wolff 2007)

[19] Gerade für jüngere Klientengruppen ein von älteren Berater*innen häufig unterschätztes Kommunikationsmittel. Ähnliches gilt mit Einschränkungen auch für Whats App.

Literaturliste

Hanna Dauber, Sara Specht, Jutta Künzel, Barbara Braun: Jahresstatistik 2017 der professionellen Suchthilfe. In: Institut für Therapieforschung, Suchthilfe in Deutschland, (2017) Jahresbericht der Deutschen Suchthilfestatistik (DSHS)

Gesamtverband für Suchthilfe e.v. (2014). Positionspapier: Komorbidität: Sucht und psychische Erkrankung (Doppeldiagnose): Qualitätsmerkmale spezialisierter SGB XII – Einrichtungen.

https://www.bmas.de/DE/Schwerpunkte/Inklusion/bundesteilhabegesetz.html

Niedersächsische Landestelle für Suchtfragen. (2019). Suchthilfestatistik 2017 für Ambulante Einrichtungen in Niedersachsen.

Wirkungskontrolle in der Behindertenhilfe, In: Bundesverband evangelische Behindertenhilfe Informationen 67/4/2019

24. Niedersächsische Suchtkonferenz, (2014). Im Dickicht der Hilfesysteme?

 

Wolfgang Weikert
Gesundheitsmanagement
w.weikert(at)weikert-gm.de