Editorial
Sehr geehrte Damen und Herren,
„Unsere Jugend ist heruntergekommen und zuchtlos. Die jungen Leute hören nicht mehr auf ihre Eltern. Das Ende der Welt ist nahe.“
Würden Sie diesem Urteil über die „Jugend von heute“ zustimmen? Dann schließen Sie sich mit Ihrer Meinung keinesfalls aktuellen Erkenntnissen über die 12- bis 25-Jährigen der 20-er Jahre des 21. Jahrhunderts an, sondern einer 4000 Jahre alten Keilschrift. Die Ergebnisse der Shell-Jugendstudie, die seit 1953 alle vier Jahre die Lebenswelt der nachwachsenden Generation erkundet, zeichnet in ihrer im Oktober 2019 erschienen 18. Ausgabe ein anderes Bild. Sie trägt den Untertitel „Eine Generation meldet sich zu Wort“. Betrachtet man die Vielzahl junger Menschen, die gegen die Reformen des EU-Urheberrechts protestieren und in den „Fridays for Future“-Demonstrationen das Engagement der Politik gegen den Klimawandeln lautstark fordern, stellt man bewundernd fest, wie die gegenwärtig junge Generation nachdrücklich eigene Ansprüche hinsichtlich der Gestaltung der Zukunft, die sie als ihre ansieht, formuliert und sich einmischt.
Allerdings, auch das zeigen die Forschungsergebnisse, unterscheiden sich die Lebensformen junger Menschen ganz grundsätzlich und mehr denn je in Abhängigkeit vom gesellschaftlichen Status der Eltern. Gleichzeitig verbindet Jugendliche aus allen sozialen Schichten und Lebenslagen, dass ihre Lebenssituation von zunehmenden Freiheiten, vielfältiger werdenden Kontexten und steigender Eigenverantwortung geprägt ist und dass sich die Bedingungen, unter denen junge Menschen die Entwicklungs- und Bildungsphase der Adoleszenz in einer Gesellschaft voller bunter Vielfalt und mit nie dagewesenen – nicht zuletzt digitalen – Möglichkeiten zu bewältigen haben, rasant verändern.
Auch der erste Kontakt und die Entscheidung, dass eine oder andere Suchtmittel aus der breiten angebotenen Palette zu probieren, fallen übereinstimmend in die Jugendphase, ebenso wie im ungünstigen Verlauf der Beginn eines riskanten Konsums oder der Missbrauch von stoffgebundenen bzw. stoffungebundenen Suchtmitteln oder Verhaltensweisen.
In der Präventions- und Jugendarbeit sind deshalb Themen rund um die Stabilität der Persönlichkeit, Suchtentwicklung und Suchtvorbeugung von hoher Bedeutung.
Als Gesamtverband für Suchthilfe e. V. (GVS) – Fachverband der Diakonie Deutschland haben wir in unserem 14. Berliner Suchtgespräch am 14.11.2019 die Ergebnisse der 18. Shell-Jugendstudie zum Anlass genommen, um mit Forschern, Politiker*innen und Praktiker*innen aus der Suchthilfe und der Schulsozialarbeit die Werte, Hoffnungen und Einstellung der jungen Menschen zum Leben aber eben auch zum Umgang mit Suchtmitteln zu beleuchten und zu diskutieren, welche Interventionen der verschiedenen Akteur*innen sinnvoll sind, um Jugendliche bei ihrem gesunden Heranwachsen zu begleiten. Um der positiven Resonanz auf unsere Veranstaltung zu begegnen, widmen wir die nun vorliegende erste Ausgabe unseres Verbandsmagazins im Jahr 2020 erneut der „Jugend von heute…“ - und freuen uns, Ihnen eine interessante Lektüre bieten zu können, die nicht zuletzt die eine oder andere Anregungen für Ihre tägliche Arbeit beinhalten möge.
Ich wünsche Ihnen ein sonniges Frühlingserwachen und grüße Sie herzlich
Ihre
Corinna Mäder-Linke
Geschäftsführerin GVS