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Von Alfred Uhl

Denormalisierung und Stigmatisierung

1 Einleitung

Exzessiver Alkoholkonsum verursacht sowohl für Menschen, die Alkohol missbrauchen, als auch für Dritte gravierende Probleme. Es erscheint daher für eine Gesellschaft sowohl aus gesundheitspolitischer als auch aus gesellschaftspolitischer Perspektive gerechtfertigt, exzessiven Alkoholkonsum konsequent kritisch zu hinterfragen und negativ zu konnotieren. Themen wie „Alkohol am Steuer“, „Partnergewalt unter Alkoholeinfluss“, „Probleme der Kinder von Eltern mit Alkoholproblemen“, „volkswirtschaftliche und betriebswirtschaftliche Kosten durch alkoholbeeinträchtigte Beschäftigte“ beschäftigen regelmäßig die Medien und sind wiederkehrende Inhalte, mit denen sich Suchtprävention, Suchtbehandlung und Suchtforschung intensiv beschäftigt. Ein Präventionsziel in Bezug auf Alkoholkonsum ist, übermäßigen Konsum gesellschaftlich zu denormalisieren.

Diese Bemühungen sollten aber nicht dazu führen, dass Alkoholkranke stigmatisiert werden, weil das ihre Probleme noch weiter vermehrt und deren Lösung erschwert. Alkoholabhängigkeit ist häufig eine Folge von somatischen und psychischen Grunderkrankungen sowie von sozialen Problemlagen – also von Bedingungen, für die man die Betroffenen nicht oder nur bedingt persönlich verantwortlich machen kann. Die beiden Ziele „Denormalisierung exzessiven Alkoholkonsums“ und „Nichtstigmatisierung von Alkoholkranken“ stehen allerdings in einem Konflikt zueinander. Wer den exzessiven Alkoholkonsum stark negativ zeichnet, trägt zwangsläufig mehr oder weniger stark zur Abwertung jener Personengruppe bei, die durch übermäßigen Alkoholkonsum charakterisiert ist. Zu denormalisieren und gleichzeitig nicht zu stigmatisieren entspricht in mancher Hinsicht der Forderung „Wasch mich, aber mach mich nicht nass!“

Das menschliche Urteil über Personengruppen basiert grundsätzlich auf einer Verallgemeinerung dessen, was wir über die betreffenden Personen wissen, vermuten oder erlebt haben. Je mehr wir über unterschiedliche Vertreter dieser Personengruppe wissen, desto differenzierter wird unser Bild und desto weniger entstehen stereotype Gesamtbilder. Wissen wir nichts über bestimmte Personengruppen und werden wir mit einem isolierten negativen Charakteristikum für Vertreter dieser Personengruppe konfrontiert, so kann unser Urteilsprozess eigentlich gar nicht anders als ausschließlich auf dieser Information aufbauen. Es stehen ihm ja keine anderen Informationen zur Verfügung, die das Urteil relativieren könnten. Kahneman (2012) nennt die Fokussierung auf das, was gedanklich gerade präsent ist, und das Ausblenden (oder Entbehren) wichtiger anderer Aspekte „WYSIATI“ (What You See Is All There Is).

Recht anschaulich lässt sich das aktuell am Urteil über islamische Migranten veranschaulichen. Wer persönlich keine Moslems kennt, nichts über islamische Kulturen weiß und in einem Zeitungsartikel über Ehrenmorde an Frauen im migrantischen Milieu liest, dessen Urteil über islamische Migranten wird ausschließlich von diesen medialen Informationen geprägt – und dieses Urteil fällt entsprechend negativ aus. Wer hingegen einige Moslems persönlich kennt und bei diesen unterschiedliche Eigenschaften feststellt, von denen manche positiv und manche negativ zu beurteilen sind, dessen Urteil fällt erheblich differenzierter und ausgewogener aus. Unter solchen Umständen fällt es leichter, das Wertesystem, das solche Ehrenmorde hervorbringt, klar zu verurteilen, ohne alle islamischen Migranten pauschal abzuwerten und dieses einseitige Urteil auch noch unzulässig auf beliebige Einzelpersonen, mit denen man in Kontakt kommt, zu projizieren. Dieses Phänomen erklärt z.B. auch, warum es zu einer besonders starken Ablehnung von Migranten in Ländern kommen kann, in denen sich vergleichsweise nur sehr wenige Migranten aufhalten, wie das z.B. derzeit in Ungarn der Fall ist.

2 Was bedeutet „Stigma“?

Das altgriechische Wort „Stigma“ bedeutet Stich- oder Wundmal. Verwendet wurde dieser Ausdruck im alten Griechenland für Brandzeichen, Tätowierungen oder Narben durch Schnittwunden, die Sklaven oder Verbrechern beigebracht wurden, um diese zu kennzeichnen. Für Verbrecher war das Teil ihrer Strafe und in allen Fällen war die Kennzeichnung mit einer gesellschaftlichen Abwertung verbunden. Auch die sowohl im christlichen als auch im islamischen Kulturkreis bis in die Neuzeit gebräuchliche körperliche Verstümmelung von Verbrechern – je nach Art des Verbrechens – gehört in diese Kategorie. Zusätzlich gab es immer wieder verbindliche Kleidungsvorschriften, die den gesellschaftlichen Rang von Menschen abbildeten, oder verbindlich zu tragende Symbole, wie der in Österreich im 13. Jahrhundert vorgeschriebene spitze Judenhut oder der Judenstern in der Nazi-Diktatur, die ihre Träger brandmarkten. Nachdem Sklaverei, Brandmarkung, Verstümmelung von Verbrechern verboten ist, wird der Ausdruck „Stigma“ kaum mehr auf sichtbare körperliche Kennzeichnung bezogen. Heute bezeichnet dieser Ausdruck primär den Umstand, dass bestimmten Personengruppen abwertende Attribute zugewiesen werden. Goffman (1963) unterschied in diesem Zusammenhang (1) Abwertung infolge körperlicher Missbildungen, (2) Abwertung infolge von Eigenschaften, die als Charakter- oder Willensschwäche interpretiert werden, (3) Abwertung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer anderen Rasse, Nationalität oder Religion. Darüber hinaus unterschied Goffman noch zwischen bereits diskreditierten Personen, bei denen die Eigenschaften, die zur Abwertung führen, bekannt sind, und potenziell diskreditierbaren Individuen, bei denen diese Eigenschaften nicht bekannt sind, die aber unter der Bedrohung leben, dass diese Eigenschaften bekannt werden könnten. Während im Christentum in der Vergangenheit der Begriff „Stigma“ phasenweise auch positiv bewertete Merkmale inkludierte – nämlich dann, wenn Personen die Wundmale Christi aufwiesen –, wird der Ausdruck „Stigma“ heute fast nur mehr verwendet, wenn es um eine abwertende Beurteilung geht.

Der Ausdruck „Stigmatisierung“ wird üblicherweise in einer Art und Weise verwendet, die impliziert, dass Personen oder Gruppen zu stigmatisieren nicht legitim ist. In diesem Sinne ist es sinnvoll, falsche oder übertriebene Zuschreibung von negativen Attributen als Stigmatisierungsprozess zu bezeichnen, nicht aber die korrekte Feststellung von negativen Attributen. Um das anschaulich zu machen: Wenn Therapeuten sagen, dass die meisten ihrer depressiven Patienten nicht in der Lage sind, ihre üblichen beruflichen Aufgaben zu erfüllen, oder wenn Richter geständige Mörder in ihren Urteilen als „Mörder“ bezeichnen, dann kann man diese Vorgänge nicht unter den Tatbestand der „Stigmatisierung“ subsumieren.

3 Verständnis für jene, die am Alkoholmissbrauch anderer leiden

Ein Ehemann misshandelt seine Frau im alkoholisierten Zustand regelmäßig. Ein Alkoholkranker belastet die Entwicklung seiner Kinder durch Rauschexzesse und unangemessenes Verhalten massiv. Eine Alkoholkranke bleibt regelmäßig unentschuldigt der Arbeit fern, wodurch die wirtschaftliche Existenz ihrer Familie bedroht ist. In allen drei Fällen erscheint Kritik durch die Betroffenen gut nachvollziehbar und legitim. Von diesen zu fordern, dass sie jene, die sie verletzen bzw. gefährden, nicht kritisieren und weiter uneingeschränkt wertschätzen, ist unverhältnismäßig und unrealistisch. Diese meist durchaus berechtigte Kritik prägt das Bild der Alkoholkranken in der Öffentlichkeit, und dieses Bild wird durch zahlreiche wissenschaftliche Studien und Aussagen von Experten konsequent unterstützt, die die psychische Belastung der Kinder von Alkoholkranken beschreiben, die volkswirtschaftlichen bzw. betriebswirtschaftlichen Kosten des Alkoholismus quantifizieren, die Zusammenhänge zwischen exzessivem Alkoholkonsum und Partnergewalt herstellen und vieles mehr.

4 Das Dilemma der professionellen Suchtarbeit

Von Personen, denen Alkoholkranke in ihrem Umfeld in hohem Maße Probleme bereiten, kann nicht gefordert werden, dass sie für die Betreffenden Toleranz und Verständnis aufbringen – wenngleich sehr viele Angehörige die Probleme nicht nach außen tragen und bemüht sind, zur Lösung der Probleme beizutragen. Von Personen, die beruflich mit Suchtkranken arbeiten, ist allerdings ein hohes Maß an Verständnis einzufordern. Ohne eine „akzeptanzorientierte Grundhaltung“ und eine ausgeprägte soziale Einstellung, ein hohes Maß an Toleranz und genügend Einfühlungsvermögen für Alkoholkranke kann es nicht gelingen, zu diesen eine produktive Behandlungsbasis aufzubauen. Eine solche ist aber unbedingt erforderlich, um deren Probleme offen anzusprechen und zu einer Überwindung dieser Probleme beizutragen.

Aus dieser Situation ergibt sich für Personen, die in der Suchthilfe tätig sind, immer wieder ein Konflikt: Die für die Tätigkeit unbedingt erforderliche akzeptanzorientierte Grundhaltung wird von der Öffentlichkeit oft als einseitige Parteilichkeit für die Klientel interpretiert und heftig kritisiert. Dieses Dilemma zwingt Personen, die mit Süchtigen arbeiten, oft zu einer Gratwanderung, weil sie öffentliche Äußerungen so formulieren müssen, dass sie weder ihre Klientel noch die Öffentlichkeit nachhaltig vor den Kopf zu stoßen.

5 Eine realistische Situationsbeurteilung ist keine Stigmatisierung

Nachdem der Gleichbehandlungsgrundsatz im öffentlichen Leben immer wichtiger wird, gewinnen Versuche, das Ausmaß der Stigmatisierung bestimmter Personengruppen zu quantifizieren, an Bedeutung. Eine Möglichkeit dazu sind Bevölkerungsbefragungen, die erheben, welche Eigenschaften diesen Gruppen von der Allgemeinbevölkerung zugeschrieben werden (z.B. Schomerus et al., 2014). Von Stigmatisierung sollte man allerdings – im Sinne des oben beschriebenen Verständnisses von Stigmatisierung – nur dann sprechen, wenn die Art und Weise, wie eine Gruppe gemeinhin beschrieben wird, sich vom tatsächlichen Bild maßgeblich unterscheidet. In diesem Sinne kann man z.B. die Feststellung, dass Alkoholkranke durchschnittlich weniger geduldig sind, weniger belastbar sind, sich weniger gut in Arbeitssituationen einfügen können, bei Belastungen eher aggressiver reagieren, infolge der chronischen Alkoholeinwirkung eher kognitiv beeinträchtigt sind und vieles mehr, nicht sinnvollerweise als Stigmatisierung dieser Gruppe bezeichnen. Jede negative Zuschreibung als Stigmatisierung zu qualifizieren verleugnet die Realität und produziert ein völlig falsches Bild der Situation. Es hilft den Betroffenen wenig, wenn man sie idealisiert und problematische Eigenschaften und Verhaltensweisen ignoriert.

Ein anschauliches Beispiel dafür, wie sich die Verleugnung von Problemen im Umgang mit drogenabhängigen Personen auswirken kann, bot vor vielen Jahren ein bestimmtes Projekt für die berufliche Wiedereingliederung von Drogen­abhängigen, bei der zwei Betreuer offensiv die These vertraten, dass Drogenabhängige, die erfolgreich eine Therapie absolviert haben, besser motiviert und arbeitsfähiger seien als die Durchschnittsbevölkerung (Uhl et al., 1984). Dieses Projekt, das durch die beschriebene optimistische Fehleinschätzung charakterisiert war, scheiterte nach kurzer Zeit total. Nur Projekte, die die Möglichkeiten und Grenzen der Klientel realistisch beurteilen, können sich langfristig behaupten, wie eine Evaluation der Wiener Berufsbörse unterstreicht (Gruber et al., 2003).

6 Toleranz als Provokation

Sucht wurde lange Zeit ausschließlich als moralisches Problem – im Sinne einer Art von Willensschwäche – interpretiert, was zur moralischen Verurteilung von Süchtigen führte und diesen eine reine Täterrolle zuwies. Später wurde Sucht als Krankheit anerkannt, der die Süchtigen nach Krankheitsmanifestation weitgehend ausgeliefert sind. Auch dieses Narrativ enthält allerdings noch eine deutliche moralische Komponente, weil den Betroffenen die Verantwortung für die ursprüngliche Entscheidung zum übermäßigen Suchtmittel­konsum in einer Phase, wo sie ihr Verhalten noch kontrollieren konnten, zugewiesen wird. Beim zweiten Narrativ wird Süchtigen eine Zwitterrolle sowohl als Täter als auch als Opfer zugewiesen. In letzter Zeit gewinnt in der Suchtforschung eine dritte Sichtweise zusehends an Bedeutung. Diesem dritten Narrativ entsprechend wird Sucht primär als Sekundärfolge zugrundeliegender Primärerkrankungen erklärt, deren Auswirkungen die Betroffenen durch Substanzkonsum zu reduzieren trachteten. Da Primärerkrankungen – wie Depressionen, Angstzustände, Schmerzzustände und vieles mehr – als schicksalhafte Fügungen verstanden werden können, sind die Süchtigen moralisch völlig exkulpiert. Das dritte Narrativ sieht Süchtige ausschließlich als Opfer.

Die Opferrolle im Sinne des dritten Narrativs ist für Personen, die ihr Suchtverhalten nicht unter Kontrolle haben, eine Erleichterung und macht es anderen Menschen einfacher, Suchtkranke nicht zu verurteilen bzw. abzuwerten und umfassende Unterstützungs- sowie Behandlungsangebote für sie als gerechtfertigt anzuerkennen. Die erhöhte Toleranz und reduzierte Abwertung haben allerdings auch ihren Preis. Man entschuldigt die Suchtkranken deswegen, weil sie nicht Herr im eigenen Hause sind, und spricht ihnen so die Kompetenz ab, für sich selbst verantwortlich entscheiden zu können. Das weist ihnen eine inferiore Position zu. Gelingt es diesen Personen, ihre Sucht erfolgreich zu überwinden und streben sie wieder eine selbstverantwortliche Rolle im Leben an, wird die zuvor sehr hilfreiche inferiore Position plötzlich zur Belastung. Nun wird die tolerant gemeinte Aussage „Ich bin mit dir nachsichtiger als mit anderen, weil ich ja um deine Probleme weiß“ unmittelbar zur paternalistischen Abwertung. Schomerus & Angermeyer (2011) sprechen in diesem Zusammenhang von „Benevolenz-Stigma“ im Sinne einer gut gemeinten, aber entmündigenden Behandlung. Mit dieser ambivalenten Situation adäquat umzugehen, erfordert viel Intuition und Fingerspitzengefühl von all jenen, die mit Suchtkranken oder anderen psychisch Kranken konfrontiert sind.

7 Zusammenfassung

Stigmatisierung im Sinne der Abwertung von Personen und Personengruppen vergrößert deren Probleme, fördert deren Exklusion und erschwert Lösungsversuche. Das spricht dafür, gegen Stigmatisierung aufzutreten – also zu entstigmatisieren. Es ist gleichzeitig aber auch zweckmäßig, Verhaltens­weisen zu thematisieren, die für die Betroffenen selbst und für Dritte eine erhebliche Gefährdung oder Belastung verursachen, in der Hoffnung, dass diese Verhaltensweisen denormalisiert werden, also generell in der Bevölkerung an Popularität verlieren. Zur Denormalisierung problematischer Verhaltensweisen tragen Berichte von Personen bei, die unter Problemverhalten persönlich leiden, und von solchen, die diese Probleme kritisch beobachten. Auch Medienberichte, die Problemverhaltensweisen aufzeigen und kritisieren, beeinflussen in diese Richtung. Problemverhaltensweisen weniger populär zu machen ist auch Ziel von Gesundheits­förderung und Suchtprävention.

Die Entstigmatisierung von Personengruppen, die gewisse Problemverhaltensweisen deutlich häufiger zeigen als andere Gruppen bzw. die über bestimmte problematische Verhaltensweisen charakterisiert sind – wie eben Alkoholkranke –, und Kritik, durchaus auch sachliche Kritik, um diese Verhaltensweisen zu denormalisieren, stehen in einem deutlichen Konflikt zueinander. Für Personen, die professionell mit Prävention, Behandlung und Beforschung dieser Problemverhaltensweisen befasst sind, resultiert daraus ein gewisses Dilemma, das dem schon erwähnten geflügelten Wort „Wasch mich, aber mach mich nicht nass!“ entspricht.

Fraglos sollte man Bestrebungen, Stigmatisierung gezielt als Methode zur Beschämung problematisch Handelnder zu fördern – eine Idee, die Bayer (2008) bezugnehmend auf Kahan (2006) zustimmend kommentierte –, entschieden zurückweisen, wie das z.B. Williamson et al. (2014) tun. Als deklarierter Kritiker von Stigmatisierung sollte man sich gleichzeitig aber unbedingt dessen bewusst sein, dass man in Ausübung von Suchtprophylaxe, Suchtbehandlung oder Suchtforschung durch Äußerungen und Publikationen häufig massiv zur Stigmatisierung von Suchtkranken in der Bevölkerung beiträgt und dass ganz besonders Suchtprophylaktiker und Suchtbehandler, aber durchaus auch Suchtforscher gleichzeitig dem Ziel der Denormalisierung von Suchtverhalten verpflichtet sind. Das Problem in diesem Zusammenhang ist, dass man problematische Verhaltensweisen kaum öffentlich thematisieren kann, ohne gleichzeitig das vorhandene Stigma zu verstärken.

Alle Maßnahmen, Aussagen und Publikationen, die darauf abzielen, Problemverhaltensweisen zu denormalisieren, sollten grundsätzlich möglichst sachlich gestalten werden, um das Ausmaß der damit ausgelösten Stigmatisierung zu begrenzen. Um im Sinne von Entstigmatisierung mehr Verständnis für Personen zu erzielen, die durch problematische Verhaltensweisen charakterisiert sind, ist es sinnvoll, jene Personen, die Probleme für andere verursachen, als Opfer von schicksalshaften Fügungen zu begreifen, für die sie nur begrenzt verantwortlich gemacht werden können. Das wird am ehesten erreicht, indem auch positive Berichte individueller Lebensgeschichten präsentiert werden, damit das Bild einer Personengruppe nicht ausschließlich von negativen Verallgemeinerungen charakterisiert wird. Außerdem ist es – auch wenn das äußerst trivial erscheint – zweckmäßig, immer wieder zu betonen, dass stereotype Bilder über bestimmte Personengruppen, auch wenn sie die Realität korrekt wiedergeben, bloß Verallgemeinerungen darstellen, die keinesfalls ungeprüft auf einzelne Repräsentanten dieser Personengruppe übertragen werden dürfen.

Literatur

Bayer, R. (2008): Stigma and the ethics of public health: Not can we but should we. Social Science & Medicine, 67, 463–472

Kahan, D. M. (2006). What’s really wrong with shaming sanctions. Yale Law School, Public Law Working Paper No. 116. Available at SSRN: papers.ssrn.com/abstract=914503 <18.6.2020>

Kahneman, D. (2012): Schnelles Denken, langsames Denken. Siedler, München

Schomerus, G.; Angermeyer, M.C. (2011): Stigmatisierung psychisch Kranker. Psychiatrie und Psychotherapie up2date, 5, 6, 345-356

Williamson, L.; Thom, B.; Stimson, G.V.; Uhl, A. (2014): Editorial: Stigma as a public health tool: Implications for health promotion and citizen involvement. International Journal of Drug Policy, 25, 333-335


Priv. Doz. Dr. Alfred Uhl
Gesundheitspsychologe
stv. Abteilungsleiter im Kompetenzzentrum Sucht, Gesundheit Österreich GmbH (GÖG)
Tel.: +43  650 2888883
alfred.uhl(at)goeg.at
stv. Leiter des englischen PhD Programms, Fakultät Psychotherapiewissenschaft,
Sigmund Freud Privatuniversität (SFU)
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