Suchtkranke Eltern in den Fokus nehmen - Das Projekt „Familienorientierte Suchtarbeit zur Stärkung elterlicher Kompetenz“-
Hintergrund
Suchtkranke Menschen haben Angehörige. Suchtkranke Menschen haben Kinder. Ungefähr 2,65 Millionen Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren lebten im Laufe ihres Lebens mit einem Elternteil mit der Diagnose Alkoholmissbrauch oder -abhängigkeit zusammen. Weitere 60.000 Kinder leben mit einem opiatabhängigen Elternteil und in etwa 37.500 bis 150.000 Kinder sind Angehörige von glücksspielsüchtigen Eltern (die Drogenbeauftragte, 2017). Die Kinder und Jugendlichen dieser Eltern tragen ein deutlich höheres Risiko, später in ihrem Leben selbst Sucht- oder andere Entwicklungsstörungen zu entwickeln. Zum Schutz dieser Kinder ist der Unterstützung suchtkranker Menschen mit Elternverantwortung eine besondere Stellung einzuräumen. In den vergangenen Jahren führten verschiedenste Aktivitäten der Praxis, Forschung und Wissenschaft zu vielfältigen Erfahrungen zum Thema Familie und Sucht. So stellte es auch die Drogenbeauftragte der Bundesregierung im Juni 2017 mit ihrer Jahrestagung „Die Kinder aus dem Schatten holen“ erneut heraus. Der Fokus lag bei der Veranstaltung, wie bei den meisten aktuellen Maßnahmen und Projekten, auf der Situation der Kinder aus suchtbelasteten Familien.
Rahmenkonzept und Qualitätsmodul
Das Gemeinschaftsprojekt vom Gesamtverband für Suchthilfe und dem Caritas Verband, gefördert vom Bundesministerium für Gesundheit, entwickelt ein Rahmenkonzept, welches auf die Erfahrungen anderer Projekte aufsetzt, dabei allerdings den Blick explizit auf die Förderung der Elternkompetenzen von suchtkranken Menschen richtet. In die Beratung und Behandlung bei Suchtproblemen soll das Thema Elternschaft von Anfang an einbezogen werden. Dies ermöglicht den Eltern in der ambulanten Suchtberatung, im Interesse ihrer Kinder, aber zur Unterstützung der Bewältigung eigener Problemlagen, gestärkt zu werden.
Das im Projekt entwickelte Rahmenkonzept ist so konzipiert, dass es deutschlandweit verbandsübergreifend von Einrichtungen der Suchthilfe genutzt werden kann. Von der Zielsetzung bis hin zu den gesetzlichen Grundlagen, aber vor allem auch in Bezug auf die Haltung der Beratenden zum Thema, sollte eins deutlich werden: Dieses Rahmenkonzept dient als Grundlage für eine (erste) Auseinandersetzung mit der familienorientierten Suchtarbeit. Es gibt keine konkrete Anleitung, der Schritt für Schritt Folge geleistet werden kann. Es gibt keinen Fragenkatalog, den es abzuarbeiten gilt. Es gibt leider kein Wundermittel, das es leichter macht, eine mögliche Gefährdung für die Familie zu erkennen. Es gibt nur die Möglichkeit, als Team reflektiert mit und an dem Thema zu wachsen.
Basierend auf der Grundlage des erprobten Rahmenkonzepts wird ein Modul für das einrichtungsinterne Qualitätsmanagementsystem entwickelt, dass dann bundesweit für ambulante Suchtberatungsstellen zur Verfügung stehen wird.
Kooperation zwischen Kinder- und Jugendhilfe und Einrichtungen der Suchthilfe
Die notwendigen komplexen Hilfen für die Eltern und Kinder in suchtbelasteten Familien machen die strukturierte Kooperation der verschiedenen Hilfesysteme notwendig, in der die spezifischen Kompetenzen beider Arbeitsfelder zusammengeführt und integriert werden. Der Aufbau einer engen und vertrauensvollen Zusammenarbeit ist die Voraussetzung dafür, dass gemeinsame Ziele definiert, fallbezogene Kooperation vereinbart und notwendige Interventionen frühzeitig verabredet werden können. Die fachbereichs- und verbandsübergreifende Entwicklung und Erprobung eines Rahmenkonzepts im Rahmen des Projekts von GVS und DCV soll dazu beitragen, die Verzahnung der Hilfesysteme und die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Fachdisziplinen, Verbänden und Behörden zu strukturieren, standardisieren und nachhaltig effektiv zu gestalten.
Denn sowohl die interne, aber auch die externe Vernetzung im Bereich der familienorientierten Suchtarbeit ist elementar, um für die Ratsuchenden ein Hilfenetzwerk zu bieten, dass das System Familie bestmöglich stützen kann. Die Unsicherheit der Eltern überträgt sich auf die Kinder und wirkt sich negativ auf das Familienleben aus. Umso wichtiger ist es, ressourcenorientiert und als gemeinsames Hilfenetzwerk für die Eltern zu dienen. Die Hemmschwellen für suchtkranke Menschen sollten dabei so niedrig wie möglich gehalten werden, um eine möglichst große Reichweite bei den Zugangswegen zu schaffen.
Zusammenarbeit mit der Praxis
Für die Erprobung und Implementierung einer familienorientierten Suchtarbeit wurden acht ausgewählte ambulante Suchtberatungsstellen der beiden Verbände in einem nachhaltigen Reflexions- und Veränderungsprozess vereint. Der GVS und der DCV unterstützen dabei die Teams der ambulanten Beratungsstellen dabei, ihre bisherige Arbeit aus einer familienbezogenen Perspektive zu reflektieren und neue Perspektiven zur Förderung und Bestärkung der Eltern in suchtbelasteten Familien zu entwickeln.
Es scheint für Eltern wie für Beratende wünschenswert zu sein, dass das Thema Elternschaft von Anfang an mit in die Beratung und Behandlung bei Suchtproblemen einbezogen wird. Eine solche Arbeit erfordert Zeit und Raum der Mitarbeitenden, der (noch) nicht entsprechend zusätzlich monetär entlohnt wird. Dennoch ist der Ansatz nicht nur für die Ratsuchenden, sondern auch für die Beratenden eine Bereicherung. Diese können hier einen Zugang zu den suchtkranken Ratsuchenden in ihrer verantwortungsvollen Rolle als Sorgende für ein Kind aufbauen und diesen auch für die Bearbeitung der Suchterkrankung nutzen.
Ausblick
Am 29.04.2021 werden die Ergebnisse des Projekts im Rahmen eines Fachtages der Öffentlichkeit vorgestellt. Im Herbst 2021 ist die Veröffentlichung des Rahmenkonzepts, sowie des Qualitätsmoduls vorgesehen. Ebenso publiziert das Bundesgesundheitsministerium den entsprechenden Abschlussbericht zum Ende des Jahres 2021.
Infos rund um das Projekt und das Thema der familienorientierten Suchtarbeit, erhalten Sie auch im Internet unter: www.eltern-sucht.de

Stefanie Onstein
Referentin für das Projekt "Familienorientierte Suchtarbeit zur Stärkung elterlicher Kompetenz"
Gesamtverband für Suchthilfe e.V.
Tel.: +49 30 83001 504
onstein(at)sucht.org